Regeln für einen Ritter

Regeln für einen Ritter – Ethan Hawke

Schauspieler Ethan Hawke ist auch ein Autor, das hat er mit schon vier Romanen (auf deutsch alle bei KiWi) schon ausreichend bewiesen. Sein fünftes Buch, Regeln für einen Ritter, ist kein Roman, sondern vielmehr ein Brief an seine Kinder. Aber nicht von Ethan Hawke, sondern von Ritter Sir Thomas Lemuel Hawke, ein angeblicher Vorfahre Ethans, der an seine Kinder Mary-Rose, Lemuel, Cvenild und Idamay aus Cornwall schreibt.

Die Ewigkeit in der Stille

Du bist wie diese überlaufende Tasse Tee“, sagte sein Großvater zu Thomas, “Du kannst nichts aufnehmen und festhalten. Es geschieht viel zu viel auf einmal, und du spritzt in alle Richtungen und verbrennst, was immer du berührst”. Auch Ritter Sir Thomas, war einmal jung, aber er hatte Gottseidank einen weisen Großvater: “Wenn du nicht ruhig und leer bis, kannst du nie etwas festhalten“. Wie die Tasse, nicht wie der Tee also. “In der Stille können wir die Ewigkeit spüren, die in uns schlummert“, heißt es im ersten Kapitel, “Einsamkeit”, das von einer Feder geziert wird, die Ethans Frau Ryan gezeichnet hat. In jedem von uns wohnen zwei Wölfe, aber es kommt eben darauf an, welchen du fütterst. Auch Demut (Kapitel 2) ist eine gute Übung für einen künftigen Ritter. Zu allem was gewesen ist sagt ein Ritter “danke”, zu allem, was kommt, sagt er “ja”. Das ist die Dankbarkeit in Kapitel 3, die hier mit einem Kranich vorgestellt wird und mittels einer kurzen Geschichte erklärt wird. Ebenso das Kapitel IV, der Stolz, der aus Würde und Selbstachtung wächst, nicht aus Unsicherheit, wie der Hochmut. Sei stolz, nicht hochmütig! Zusammenarbeit wird mit einer Zeichnung einer Vogelschar verbildlicht und dem Vergleich oder der Konkurrenz eine Absage erteilt. Sind doch alle Talente nur Ausdruck ein und derselben universellen Kraft. Deswegen ist es unnütz sich mit anderen zu vergleichen und Eitelkeit und Verbitterung herbeizuführen. Beides ist wertlos.

Ballade vom Hirschen mit Vierzig-Ender-Geweih

Ein Freund leibt dich, weil du dir selbst treu bist, weil du ihm zustimmst. “Der wahre Geist einer Freundschaft wird im Alltag des Lebens geschmiedet.“, meint Sir Thomas im Kapitel Freundschaft, das ein wichtiger Bestandteil des Lebens eines Ritters ist. Auch Vergebung gehört zu diesen positiven Eigenschaften eines Ritters: “Suche das Beste in dir und den andren!” Ehrlichkeit, Mut, Haltung, Geduld, Gerechtigkeit, Großzügigkeit, Disziplin, Hingabe, Rede, Glaube, Gleichheit und schließlich Liebe und Tod werden von Ritter Sir Thomas mit einer kurzen Geschichte erklärt und nachvollziehbar gemacht und zuletzt folgt noch die Ballade vom Hirschen mit dem Vierzig-Ender-Geweih, das jeden Veganer freuen wird. Ritter Sir Thomas Lemuel Hawke steht am Vorabend einer großen Schlacht des Jahres 1483 und keiner weiß, ob er sie überleben wird. Aber er weiß, was er seinen Kindern hinterlassen möchte. Eine gerechte Welt in der alle gütig zueinander sind.

Im Gewand eines mittelalterlichen Handbuchs für Ritter, versehen mit zwanzig feinen Zeichnungen seiner Ehefrau Ryan, erzählt Ethan Hawke die verzaubernde Geschichte von seinem Vorfahren, der wusste, worum es im Leben wirklich geht. In 20 kleinen Geschichten über Schönheit, Werte wie Dankbarkeit, Freundschaft und Ehrlichkeit und das Zusammenleben an und für sich. Alles Lebensweisheiten, die bis heute Gültigkeit haben und jede/r mal ab und zu wieder nachschlagen sollte. Denn was ist wirklich wichtig im Leben?

Ethan Hawke
Regeln für einen Ritter
Der letzte Brief von Sir Thomas Lemuel Hawke
Übersetzt von: Kristian Lutze
Mit Illustrationen von Ryan Hawke
2016, Hardcover, 192 Seiten
ISBN: 978-3-462-31583-7
KiWi Verlag


Genre: Ratgeber
Illustrated by Kiepenheuer & Witsch Köln

Katzen und der Sinn des Lebens

Katzen und der Sinn des Lebens. Natürlich ist allein die Frage nach dem Sinn des Lebens gerade in Tagen wie diesen purer Luxus. Ebenso lapidar fällt denn auch die Antwort aus: leben. Das ist auch die Antwort die Katzen geben würden. Denn es ist genau das, was sie tun: leben.

Das Glück der struppigen Vierbeiner

Feline Philosophy” lautet der vorliegende Text im englischen Original, wo das Buch erstmals 2020, im Pandemiejahr, erschien. “Katzen ist ein Glück angeboren, das Menschen oft nicht erreichen”, heißt es darin etwa, weil der Mensch unablässig danach strebe etwas zu sein, was er nicht ist, während die Katzen einfach sie selbst sind. Ausgehende von der Phänomenologie Platons bestreitet Gray diese, indem er behauptet, dass jede einzelne Katze einzigartig ist und sogar mehr Individuum als so mancher Mensch. Anhand mehrerer Beispiele aus der Literaturgeschichte oder einfachen Erzählungen, weist Gray in Folge dann nach, was an dieser Einzigartigkeit der Katzen dran ist. Natürlich stets mit philosophischem Augenzwinkern und dem Ernst des Themas angemessen. Die sog. Selbstbewusstheit des Menschen habe die immerwährende Unruhe geweckt, von der uns die Philosophie vergeblich zu kurieren suche, schreibt Gray.

Vorbildhafte Katzen in der Menschengeschichte

Nicht erst seit Michel de Montaigne, dem Begründer des modernen Humanismus und Katzenliebhabers, wissen wir, dass vielmehr die Katzen mit uns spielen als wir mit ihnen. In der Geschichte “Mèos Reise“, dem ersten Beispiel von John Grays Katzenapotheose, wird die innige Beziehung eines GIs zu seiner vietnamesischen Katze, Mèo, beschrieben, die der amerikanische Soldat vor dem Massaker von Hué errettete. Und obwohl das Schicksal dieser einen Katze im Verhältnis zu 58.000 US-Soldaten und zwei Millionen vietnamesischen Zivilisten obszön ist, vermochte es die Katze doch zumindest ein Menschenleben zu verschonen: das des Erzählers, dem GI. Auch andere Katzen aus fernöstlichen und anderen Kulturen werden von John Gray um ihre Bedeutung für den Menschen festzuhalten erwähnt: Colette’s Saha, Highsmith’s Ming, Jun’ichiro’s Lily, Gaitskill’s Gattino, Berdjajew’s Murris, etc.

Katzen und der Sinn des Lebens

Katzen bringen keine Asphaltiere oder Anführer hervor, sie leben lieber alleine als im Rudel und kooperieren doch, wenn es draufkommt. Sie ordnen sich nie unter und gehorchen oder huldigen nicht, wenn sie gehen wollen, gehen sie, wenn sie bleiben wollen, bleiben sie aus ihrem eigenen Wunsch. Sie sind so ehrlich wie kein Mensch es vermöchte zu sein. “Während Glück bei Menschen ein künstlicher Zustand ist, ist es bei Katzen die Verfassung, die ihrer Natur entspricht.” Wir lieben Katzen, weil sie so anders sind als wir selbst und vielleicht auch, weil sie uns an unseren eigenen Tod gemahnen. John Gray zitiert Ernest Becker, wenn es um die Grausamkeiten des Menschen gegen den Menschen geht, ihre Lebenslügen und Ideen für die sie zu sterben vorgeben. Schon Wittgenstein aber wusste, dass nur jene ewig leben, die in der Gegenwart leben (“Unzeitlichkeit”) und genau das tun unsere Katzen: sie sind sterbliche Unsterbliche, leben ihrer Natur entsprechend und sind das, was sie am besten können. Sie selbst.

Ganz nebenbei lernen wir mit vorliegender unterhaltsam geschriebener Lektüre auch viel über andere Philosophen wie etwa Epikur, Lukrez, Seneca, Pascal, Spinoza, Comte und vor allem über den Sinn des Lebens: zu leben. Eine gute Einführung zu John Grays philosophischen Betrachtungen geben auch die vom Verlag auch online (im Buch im Anhang am Ende) zugänglich gemachten “10 Tipps von Katzen an Menschen” über den Sinn des Lebens. Hier abrufbar!

John Gray
Katzen und der Sinn des Lebens
Philosophische Betrachtungen
Übersetzer:in: Jens Hagestedt
2022, Hardcover, 159 Seiten
ISBN: 978-3-351-03923-3
Aufbau Verlag
22€

 


Genre: Abendland, Katzen, Lebenskunst, Philosophie, Ratgeber
Illustrated by Aufbau Berlin

Wandern. 100 Seiten

Gipfelgefühlt und Wundermittel: Wandern

Wandern. 100 Seiten. In der Reihe 100 Seiten des Reclam Verlages ist von der Journalistin und passionierten Wandrerin Nina Ayerle vorliegende Einführung zum Wandern erschienen. Ein Überblick von der Entstehung der internationalen Wanderbewegung bis hin zu den Auswüchsen der Wanderpredigten im Hochgebirge oder Gebirgstheatern.

Runner’s High und Gipfelgefühl

Je höher man steigt, desto einsamer wird es um einen herum. Man ist nur noch mit sich, vielleicht noch mit seiner Wandergruppe und den Bergen“, schreibt die Autorin. Ja, das war einmal… Wandern liegt (leider) im Trend. Aus diesem Grund gibt es auch Empfehlungen über das richtige Verhalten im Hochgebirge. Denn so einfach es scheint, viele haben es immer noch nicht begriffen, dass der Müll den man hinaufträgt von niemandem wieder runtergetragen wird. Er bleibt oben. Siehe Mount Everest mit den unzähligen Sauerstoffflaschen. Also: wer Orangen- oder Bananenschalen liegen lässt, wird sie beim nächsten Gipfelsturm wieder vorfinden. Deswegen gilt immer alles was rauf geht auch wieder mit runternehmen. Aber abgesehen von diesen Auswüchsen des Massentourismus ist Wandern nach wie vor der beste Sport. Denn erstens ist die frische Luft gratis und zweitens braucht man außer gutem Schuhwerk (fast nichts) zu dessen richtiger Ausübung. Als Wandern gilt alles über 6 km/h und über der Durchschnittslänge von 2,29h. Also nicht jedes Spazieren ist gleich Wandern. Erfunden habe es der italienische Dichter Francesco Petrarca (1304-1374) mit seinem Bruder Gherardo. Sie wollten ganz einfach einmal die Welt von oben sehen. In Renaissance und Romantik folgten ihnen einige, aber richtig durchsetzen konnte es sich erst im 19. Jahrhundert, als die Freizeitgesellschaft entstand. Denn lange Zeit war Wandern nur den Reichen vorbehalten, die Armen musste ja bis zu 14h/Tag arbeiten. 1895 gründeten die Sozialdemokraten die Naturfreunde, aber auch die deutschen Wandervögel unter Herman Hoffmann-Fölkersamb (1875-1955) folgten alsbald dem Ruf der Berge. Die Wandervögel waren auch eine Art Protestbewegung: weg von Eltern, Kaiser und Stadt und rein in die Natur. Leider wurde das Wandern durch den sog. Turnvater Jahn und in Folge den Nazis für das völkische Turnen mißbraucht. Aber nach dem Kriege kam es schnell wieder zu einer Renaissance.

Wandern: Ein wahres Wundermittel!

Der Wanderer ist in vielen Hinsichten ein primitiver Mensch, so wie ein Nomade primitiver ist als der Bauer. Die Überwindung der Sesshaftigkeit aber und die Verachtung der Grenzen machen Leute meines Schlages trotzdem zu Wegweisern der Zukunft.“, wusste schon Hermann Hesse (1877-1962). Die Autorin macht auch ein paar Exkurse zum historischen Nomadentum und den sog. Zigeunern, aber auch Flanieren, Pilgern und Wallfahrten gehören für sie ins Spektrum des Wandern. “Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen“, dichtete schon Goethe und für den Zeit-Schreiberling Tobias Hürter ist Gehen gar “das perfekte Tempo für Körper, Geist und Seele. Ein wahres Wundermittel!“. Am besten drückte es aber wohl Jan Gehl aus: “Beim Gehen geht es um viel mehr als nur Bewegung. Es ermöglicht die Begegnung von Mensch zu Mensch.” Auch in Japan ist das Wandern in Mode gekommen. Dort nennt man es Shinrin Yoku: Waldbaden. Denn die ätherischen Öle die ein Wald absondert wirken wie eine Aromatherapie für Geist und Seele. Wozu also ins Fitnessstudio gehen? Das ist doch nur noch ein Termin! Im Anhang befinden sich weitere Lektüretips zum Thema sowie Abbildungen und Infografiken den Fließtext auflockern. Auch auf praktische Tips zu Kleidung und Ernährung beim Wandern hat Nina Ayerle nicht vergessen.

Ayerle, Nina
Wandern. 100 Seiten
2022, Broschiert. Format 11,4 x 17 cm
100 S. 13 Abb. und Infografiken
ISBN: 978-3-15-020588-4
Reclam Verlag
10,00 €


Genre: Geschichte, Literatur, Monographie, Ratgeber, Reiseführer, Wandern
Illustrated by Reclam Verlag

Klare Charaktere

Klare CharaktereMit seinem Autoren-Ratgeber »Klare Charaktere. Wie ich Figuren für einen Roman entwickle« gibt Autor Lutz Kreutzer Hinweise und Anregungen aus dem Handwerkskasten des Praktikers. Er stellt Herangehensweisen sowohl seiner eigenen Romane als auch diejenigen anderer Profiautoren vor, die dazu beitragen wollen, einem Roman Leben einzuhauchen. Weiterlesen


Genre: Ratgeber, Sachbuch
Illustrated by Kampenwand

Schreib Dein bestes Buch. Der Planer für Autoren

Johannes Zum Winkel hat als Autorencoach schon manchen Bestsellerautor im Selfpublishing begleitet und zählt mit dem Stallgeruch des Bertelsmann-Konzerns, für den er leitend tätig war, zu den alten Hasen in der Buchwelt. Sein neuestes Opus »Schreib dein bestes Buch« liegt jetzt als 344 Seiten starkes Buch vor und ist ein Romanplaner im besten Sinne.

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Genre: Ratgeber, Sachbuch, Selfpublishing
Illustrated by Selbstverlag

Lob der schlechten Laune

Lob der schlechten Laune. Strudlbrug, Griesgram, Brummbär,  Stinkstiefel, Grumpy Old Men, Grantscherm, Nieselprim, Schnoferlzieher, Meckerer, Misanthrop, Gewitter-Ritter, Motzkuh, Trotzkopf, Murrkopf, Malediktologe, Isegrim, … wer sich von diesen Ausdrücken angesprochen fühlt, sollte weiterlesen. Aber es geht in Gerks Sachbuch nicht um Sigmar Polkes großes Schimpftuch, das im MoMA in New York hängt, sondern um eine weit verbreitete, besonders im deutschsprachigen Süden anzutreffende Gemütshaltung, die euphemistisch auch als Parrhesia bezeichnet wird, besser bekannt als schlechte Laune, Mieselsucht, Misophonie, Melancholie, Nostalgie, Ärger, Wut, Unmut, Groll, Verdruss, Mißmut, Lebensüberdruss, Dysthymie, Acedia, Schwermut, Geseiere… Oder auch als Verben: herummosern, motschgern, nörgeln, fuxen, sudern, raunzen, meckern, mürrisch, mieselsüchtig, … . Kennen Sie das?

„Grant-Country Österreich“

Mut zur schlechten Laune könnte man diesen amüsanten Diskussionsbeitrag von der Sachbuchautorin Andrea Gerk auch nennen, denn wer sich gegen Zwangsoptimierung und Jugendwahn, die „Diktatur der Positivität“ nicht mehr zu wehren weiß, findet hier, in vorliegendem Kompendium, Trost und Zuspruch. Tatsächlich liegt in der sog. „schlechten Laune“ nämlich sehr viel kreatives Potential und das ist inzwischen sogar wissenschaftlich erwiesen, wie uns die Autorin an glaubwürdig darlegt. Ganz abgesehen vom Unterhaltungswert der Mieselsucht natürlich. Nehmen wir etwa den Wiener Grant, den der Autor Thomas Grasberger in seinem gleichnamigen Buch als Blues des Südens adelte. Gerk belegt durch zahlreiche Zitate österreichischer Autoren, dass der Grant besonders hier in seiner besten Manier ausgelegt wird. Wer über diese Art von Humor – zu unterscheiden vom Wiener Charme – nicht herzhaft lachen kann, der hat eigentlich nicht wirklich gute Laune, sondern ist auch nur ein Modelächler und Kostverächter. Aber natürlich lässt Gerk auch deutsche Kolleginnen und Kollegen wie etwa Ludwig van Beethoven (der hat allerdings auch in Wien gelebt!) zu Wort kommen und nicht zuletzt auch internationale wie etwa den Obergrantler Lou Rabinowitz aka Reed oder Dagobert Duck. Wer sich selbst ebenfalls dazu zählt, befindet sich also in bester Gesellschaft.

Launisch wie Luna: Lob und Tadel

Auch für die Gesellschaft erfüllen die hier angesprochenen Herrschaften (Grantler sind hauptsächlich Männer) eine wichtige, kathartische Funktion wie einst der Hofnarr. Im Vergleich mit den brummigen Figuren aus Literatur, Film oder Theater schneidet man selbst ja zumeist besser ab und bekommt dafür eine narzisstische Belohnung, der Glaube, besser zu sein. Die Grantler in Film und Fernsehen haben also eine Sündenbockfunktion und das führt mitunter zu kathartischen Effekten bei den Betrachtern. Nach dem Motto: „So sind wir nicht.“ Autor Wolf Haas, der seinen Ermittler Simon Brenner so manche Wuchtl schieben lässt, bezeichnet Österreich etwa eindeutig als Bewältigungskultur, wenn es um die Lebenshaltung an sich geht: „Es gibt zwei. Die eine versucht, das, was man schlecht findet, zu verändern; die andere versucht (es) zu bewältigen“. Dabei liegen launisch und launig sprachlich gar nicht so weit auseinander: sie stammen beide vom lateinischen Wort für Mond, luna, ab und haben doch eine ganz unterschiedliche Bedeutung.

Wissenschaftlich erwiesen: schlechte Laune ist gesund

Einige Wissenschaftler drücken die schlechte Laune auch als „mood repair“ aus. Wir brauchen diese negative Emotion, um „auf Nummer sicher zu gehen“. Denn wer sich so gegen die Herausforderungen der Zeit wappnet, ist allemal besser vorbereitet. Sollte einmal etwas schief gehen… Wissenschaftliche Experimente, die Gerk zitiert, haben ergeben, dass negative Gefühle die sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten, das Erinnerungsvermögen und die Aufmerksamkeit für Herausforderungen verbessern. Da wo Wut und Ärger offen geäußert werden dürften, könnten Kreativteams besser zusammenarbeiten. Diese Emotionen zeigen schnell und unaufwendig, dass etwas nicht stimmt, erhöhen Sorgfalt und Aufmerksamkeit, fördern die Tendenz, den Dingen auf den Grund zu gehen, formuliert die Autorin treffend. Und vielleicht ist Kommissar Maigret und andere seiner Kolleg:innen deswegen immer so miesepetrig? „Der geistreiche Grantler ist in der Regel eher kein Machtmensch, sondern ein ‚Partisan des Alltags’“, schreibt Gerk und führt viele weitere Beispiele prominenter Grantler an, darunter Franz Liszt, ein Vorläufer Pete Townshends und Gustav Metzgers A.D.A beim Instrumente oder Kunstwerke zertrümmern, Christine Rösinger (Lassie Singers, Britta), Georg Kreisler, u.v.a.m.

Nicht zuletzt sollte man noch vielleicht noch erwähnen, dass wer seinen Ärger unterdrückt, mit einer erhöhten Herzfrequenz resp. Blutdruck zu rechnen hat. Denn vorgetäuschtes Lächeln ist nicht nur anstrengend, sondern kann auf Dauer richtig krank machen. Sich also ab und zu zu erleichtern, kann durchaus das Leben verlängern. Auch Lächeln ist in Wirklichkeit nämlich eine sehr ernst Angelegenheit.

Kurzum: Pessimisten haben mehr vom Leben! Auch wenn dieses Buch ihr schlechte Laune merklich bessern wird…

 

Andrea Gerk

Lob der schlechten Laune
Sachbuch
2021, Hardcover, Format: 12,5 x 2,1 cm , 304 Seiten
ISBN: 978-3-0369-5770-8

Kein und Aber Verlag
24,70 EUR


Genre: Gesellschaft, Literatur, Ratgeber, Sachbuch
Illustrated by Kein & Aber Zürich

Ich bin dann mal im Keller

Ich bin dann mal im Keller

Ich bin dann mal im Keller. „This, you must know, is the growlery. When I am out of humour, I come and growl here.“ (Charles Dickens, Bleak House, 1852). Wohin kann „der Mann“ der weiblichen Ästhetik der Wohnräume noch entkommen? Wo ist der Raum, in dem er noch (fast) alles selbst bestimmen kann? Sie haben es bereits erraten: der Keller.

Keller oder Synonym

Aber der Keller muss nicht immer ein Keller sein. Es kann auch ein Schuppen oder eine Garage sein. Ein Woodshed. Oder ein growlery. Ein Pub. Eine Teestube. Oder auch The Man Cave. Ein Fass (Diogenes). Ein Bootshaus (Dylan Thomas). Ein Naust. Ein Rorbu. Ein Smorebu (norwegische Schmier- und Wachsbude für Ski). Für alle diese Räume gilt: „Im Keller sind wir sicher, im Keller ist es schön. Da ist der Ruf der Möglichkeiten zu hören.“ Und im Nachsatz fügt Gabrielsen noch ironisch hinzu: „vielleicht riecht es nicht besonders gut da unten, aber über diesen Ort haben wir die Kontrolle“. Natürlich ist der vorliegende Ratgeber nicht wirklich in den Siebzigern hängengeblieben, auch wenn der Autor ein 67er Jahrgang ist. Die Rollenaufteilung Mann/Frau ist heute (2021) nicht mehr so streng aufzufassen wie im Jahrzehnt des Wirtschaftswunders und auch die geschlechtlichen Zuschreibungen sind allenfalls stereotyp, aber sicherlich nicht ganz ernst gemeint. Wichtig ist jedenfalls, den Keller so zu organisieren, dass alle finden, was sie brauchen. Auch Frau. Oder Mann will, dass nur er etwas findet, dann hat der Keller als „letztes Refugium des Mannes“ eine andere Systematik. Seine. Nicht zuletzt haben Männer ja Hobbies, um die Zeit nicht mit ihren Frauen und Kindern zu verbringen, meinte einmal der Komiker Louis C. K. Für den Keller gibt es also auch ein anderes Wort: Freiheit.

Keller als Metapher für Freiheit

Bjørn Gabrielsen gibt Tipps wie man auf dem doch zumeist sehr engen Raum des Kellers Platz sparen kann. Etwa mit an die Decke hochgezogenen Lattenrosten oder an die Decke geschraubte Marmeladengläserdeckel. Letztere sind aus Glas und damit durchsichtig und transparent und so weiß man auch gleich, was sich darin befindet. Ein Blick an die Decke genügt. Neben vielen Fotos und Tipps enthält die vorliegende Lektüre aber auch eine Art Kulturgeschichte des Kellers. Denn während er früher zur Aufbewahrung der Bevorratung von zumeist selbst gemachten Produkten diente, liegt die Fläche heute zumeist brach. Beim Keller hat(te) die Globalisierung halt gemacht. Findige Ehemänner haben das neue Territorium also gleich für sich okkupiert, um den über ihm stattfindenden Familienfesten mit Kinder und Verwandtschaft zu entfliehen. „Ich bin dann mal im Keller“ (Da går jeg inn i kjelleren) wurde so zum geflügelten Wort. Nicht nur in Norwegen. Im Keller lassen sich nämlich nicht nur Arbeitsgeräte, sondern auch Erinnerungen aufbewahren. „Er steckt immer voller und Erinnerungen und Träumen von zukünftigen Projekten.“ Wer noch keinen Keller hat, dem gibt der Autor auch eine Anleitung zum Erbauen eines Schuppens: zu beachten gilt: drei, vier, fünf. Und das mal zwei.

Ein weiterer Vorteil: viele Frauen leiden unter Pitheonophobie. So bleibt man auch für längere Zeit ungestört. Aber nur im Keller.

 

Bjørn Gabrielsen

Ich bin dann mal im Keller

Vom letzten Refugium des Mannes

Aus dem Norwegischen von Ulrich Sonnenberg. Mit zahlreichen Abbildungen

2016, Fester Einband mit Schutzumschlag, 176 Seiten

Originaltitel: Jeg skal bare ut i boden en tur (Kagge Forlag AS)

ISBN: 978-3-458-17690-9

Insel Verlag, 2. Auflage

18,00 € (D), 18,50 € (A), 25,90 Fr. (CH)


Genre: Bastelanleitung, Kulturgeschichte, Ratgeber

Leben, schreiben, atmen

Das Buch von Doris Dörrie »Leben, schreiben, atmen« kommt im richtigen Moment und gibt uns in der Zeit der Quarantäne etwas Neues zu tun: Wir sollen schreiben! Am besten mit der Hand, unbedingt mindestens 10 Minuten lang und das ohne Denkpausen. Dazu werden mehrere Dutzend Themen vorgeschlagen: Dunkel, süchtig, Piercing, Hochzeit, Kleid oder Flanieren. Weiterlesen


Genre: Biographien, Ratgeber, Sachbuch
Illustrated by Diogenes

Businesstipps vom Rockstar

Band oder Brand? Gene Simmons, der Rockstar: Seine Gruppe Kiss gehört zu den führenden Hard Rock Metal Bands die von den Siebzigern bis heute überlebt haben. Demnächst gehen Kiss aber dennoch auf ihre Abschiedstournee „End of the Road“. In „So wird man Rockstar und Millionär“ verrät der Frontman von Kiss sein Erfolgsrezept.

Die Kunst des Businessman

Bis heute haben Kiss weltweit über 100 Millionen CDs und DVDs verkauft und über tausend Merchandise-Produkte abgesetzt. In 13 einfachen Grundsätzen – nach Sun Tzus Klassiker „Die Kunst des Krieges“ – erklärt Gene Simmons in vorliegendem Buch seine praktischen Tipps für den finanziellen Erfolg im 21. Jahrhundert. Als Sohn armer israelischer Einwanderer wurde für ihn der amerikanische Traum Wahrheit. Aber Simmons schreibt dies weniger seiner eigenen Genialität oder Zufällen zu, sondern einem guten Marketing und Promotion Konzept. Und für alle die es gleich wissen wollen: „Staatspräsidenten, Unternehmensvorstände und Rockstars haben alle eine Gemeinsamkeit mit dir: Sie kamen als ganz normale Menschen auf die Welt! Den Rest machen einige Faktoren und Variablen aus, nicht zu vergessen ein unerschütterliches Arbeitsethos.“

Rockstar: Dienst an sich selbst

Gene Simmons (geborener Chaim Witz) spricht im zweiten Teil seine Leser direkt mit „DU“ an und verrät ihnen, wie sie sich selbst zur Marke, zur Brand, aufbauen können. Im ersten Teil erzählt er vor allem von seinem eigenen Weg und wie er es als armer Jude aus Ungarn und Sohn einer Holocaustüberlenden in den USA zu etwas bringen konnte, wofür er diesem Land über alles dankbar ist. Als Kind hatte er einen Freund namens Schlomo und einen Skarabäuskäfer, den er immer bei sich trug. Gene Simmons ist auch ein bekennender Comicleser – was man seinem Bühnenkostüm – wohl auch ansieht und lobt die amerikanische Kultur, die es einem Immigranten wie ihm ermöglichte, seinen Traum zu verwirklichen. Im Hannibal Verlag – der Verlag der Stars – sind auch noch zwei weitere Bücher über Kiss erschienen. Er war einmal stolzer Besitzer des Action Comics mit der ersten Superman-Geschichte und konnte es um 800.- Dollar versetzen. Dieser „fiduziarische Dienst an sich selbst“ war wohl einer der Trigger für seine spätere Karriere.

Gene Simmons
So wird man Rockstar und Millionär
Mein Erfolgsrezept
1. Auflage, 2015, 224 Seiten, Broschur
Format: 21 x 14
ISBN 978-3-85445-473-1
19,99 EUR
Hannibal Verlag


Genre: Biographie, Ratgeber
Illustrated by Hannibal

Tod und Trauer

Texte zu Tod und Trauer: Beinahe als lapidar könnte man das Zitat von Gotthold Ephraim Lessing nennen, das Titel dieser Sammlung von Texten wurde, die sich explizit mit Trauernden und Hinterbliebenen beschäftigt, Menschen, die von einem schweren Schicksalsschlag und dem Verlust eines nahen Menschen getroffen wurden: „… und diese Erfahrung habe ich nun auch gemacht”.

Tod und Trauer in der Literatur

Natürlich ist das Zitat, das aus einem Brief Lessings an Johann Joachim Eschenberg, ein Understatement, denn wer wirklich von dem Verlust eines geliebten Menschen getroffen wurde, der findet oft nicht die richtigen Worte und schweigt lieber. Zu groß ist das Unbehagen, das sich beim Tod eines Angehörigen oder Freundes breit macht, ist man doch stets auch der eigenen Vergänglichkeit gemahnt. Aber trauern ist deswegen noch lange nicht egoistisch, denn wer sich die Zeit dafür nimmt, kann danach auch wieder andere beschenken. „Nach Hause gehen wir Geschwister zusammen“, schreibt etwa Marie Luise Kaschnitz in „Als meine Mutter starb“, „jedes von uns hat eine andere Mutter gehabt, nur die Schauplätze der Kindheit hatten wir gemeinsam, aber das ist vielj.“ Peter Weiss wiederum bezeichnet seine Eltern als „Portalfiguren“ und schreibt: „Die Trauer, die mich überkam, galt nicht ihnen, denn sie kannte ich kaum, die Trauer galt dem Versäumten, das meine Kindheit und Jugend mit gähnender Leere umgeben hatte.(…) Die Trauer galt dem Zuspät, das uns Geschwister am Grab überlagerte und das uns dann wieder auseinandertrieb, ein jedes in sein eigenes Dasein.“

Verlust und Vergebung

Auch Simone de Beauvoir macht sich Gedanken über den Verlust ihrer Mutter und ihres Mannes, Jean-Paul Sartre: „Hinter denen, die diese Welt verlassen, erlischt die Zeit; und je älter ich werde, desto mehr schrumpft meine Vergangenheit.“ Tröstend sind da viel eher die Worte von Hermann Hesse an die Familie Calw: „Oft habe ich die Empfindung ihrer Gegenwart und Liebe stärker als je zuvor zu ihren Lebzeiten.“ Das vorliegende Trostbuch für Trauernde mit Texten aus der Literatur zum Tod eines nahen Menschen, ist bei der edition momente erschienen.

Elisabeth Raabe u. Paul Raabe (Hg.)
“… und diese Erfahrung habe ich nun auch gemacht”
Texte zum Tod eines nahen Menschen
Neuausgabe
116 Seiten / Gebunden / Leseband
€ 18,- / sfr. 25.90
ISBN 978-3-0360-6002-6
edition momente


Genre: Ratgeber, Trauer
Illustrated by edition momente

Auf dem Jakobsweg

Paulo Coelho machte sich 1986 – also vor mehr als einem Vierteljahrhundert – selbst auf die Roata Compostela, den Jakobsweg, und schrieb danach darüber sein erstes Buch, das in einer neuen Taschenbuch deluxe Ausgabe beim Diogenes Verlag mit eigenem Notizbuch erschienen ist. Das Notizbuch ist ebenfalls mit Coelhos beliebten Kalendersprüchen versehen und lässt dennoch noch viel Platz für eigene Eintragungen, sollte man sich tatsächlich auch einmal auf den Weg machen wollen.

Das Schwert und die Zeit

Die insgesamt elf Exerzitien oder Rituale, die dem Ich-Erzähler in vorliegendem Buch von seinem geistigen Führer Petrus auf dem Jakobsweg empfohlen werden, lassen sich aber auch schon jetzt – zuhause – in die Tat umsetzen. Es sind einfache spirituelle Übungen, die sich leicht umsetzen lassen und so den Jakobsweg Coelhos auch in den eigenen vier Wänden nachvollziehbar machen. Aber es geht natürlich auch die Geschichte, die der brasilianische Autor von seiner ersten großen Reise – getrennt von Frau und Kind – erzählt. Sein sehr persönliches Tagebuch seiner Pilgerreise nach Santiago de Compostela beginnt mit Selbstzweifeln und Aufschüben. Über ein halbes Jahr braucht Paulo, um sich endlich auf den Wege zu machen, sein Schwert zu finden. Das Schwert steht in seiner Mythologie für den Weg zu sich selbst, für die Macht sein Leben selbst zu bestimmen. „Wir sind es, die den Rhythmus der Zeit bestimmen.“

Pilgern für Christen

Der Leser erfährt aber auch von dem Gemeinsamkeiten aller Weltreligionen. So verlangt etwa nicht nur muslimische Tradition eine Pilgerreise nach Mekka, sondern auch das Christentum kennt davon drei: Der erste führt zum Grabe Petr in Rom, der zweite zum Heiligen Grab Christi in Jerusalem und der dritte zu den Reliquien des Apostels Jakobus. Der Weg erhielt den Weg „Compostela“, was nichts anderes bedeutet als Sternenfeld und die Reisenden erkennen sich an dem Symbol der (Jakobs-)Muschel. Die 700 Kilometer zwischen Jean Pied de Port nach Santiago wurden schon im 14. Jahrhundert von einer Million Menschen erwandert. Seither sind es bedeutend mehr geworden und einer davon war auch Paulo Coelho. „Jede Reise ist ein Akt der Wiedergeburt“, schreibt er, und doch ist das Entscheidende der Weg, denn wie beim Sex entscheide auch das Vorspiel über die Intensität des Vorspiels, so Coelhos Führer Petrus. „Nur wer das Geräusch der Gegenwart wahrnimmt, kann die richtige Entscheidung treffen.“ Die beste Zeit in sich zu gehen ist ohnehin das Jahr zwischen Weihnachten und Neujahr. Ein wichtiges Buch, über das man sich selbst eine Meinung bilden sollte indem man es endlich liest. Auch erschienen als Hardcover Pappband mit 288 Seiten um € (D) 14.90 / sFr 19.90* / € (A) 15.40.

Paulo Coelho
Auf dem Jakobsweg
Inklusive Notizbuch mit Zitaten
Aus dem Brasilianischen von Maralde Meyer-Minnemann. Mit einem Vorwort des Autors
2018, Taschenbuch deluxe, 368 Seiten
ISBN: 978-3-257-26141-7
€ (D) 15.00 / sFr 20.00* / € (A) 15.50
Diogenes Verlag


Genre: Esoterik und Grenzwissenschaften, Ratgeber, Spiritualität
Illustrated by Diogenes

Sterbehilfe

Die Autorin pflegt seit 16 Jahren ihren schwerkranken Mann, der an der heimtückischen Erbkrankheit Morbus Huntington leidet. Diese unheilbare Krankheit begleitet die Familie bereits ein halbes Jahrhundert und verlangt von den Angehörigen eine permanente Trauerarbeit am lebenden Menschen. Schmids Buch, das weitaus mehr ist als ein persönlicher Erfahrungsbericht, richtet sich an all diejenigen, die sich mit dem Recht auf Selbstbestimmung beschäftigen. Weiterlesen


Genre: Erfahrungen, Ratgeber, Sachbuch
Illustrated by Bookrix

Über die Lehren des Todes – die 5 Einladungen

Auch auf die Gefahr hin, pathetisch zu klingen, möchte ich bei den „Fünf Einladungen“ Frank Ostaseskis von einem heiligen Buch sprechen. Wie weit er selbst als jahrelang praktizierender Buddhist in seiner spirituellen Entwicklung gelangt ist, mag ich nicht beurteilen wollen. Dieses monumentale Werk, das nun als Dokument der Hospiz Arbeit in den USA vorliegt jedenfalls ist ein außergewöhnlich schönes und wertvolles. Ostaseski war 1987 Mitbegründer des ersten Zen-Hospizes in den USA; 2oo4 gründete er das Metta Institute, das sich zur Aufgabe machte, die (buddhistischen) Prinzipen Achtsamkeit und Mitgefühl in der Pflege zu verankern.
Bei der Begleitung der Sterbenden spielt der Buddhismus als System, als Ideologie keine Schlüsselrolle – das zeichnet die hochprofessionelle Arbeitsweise im Hospiz aus. Achtsamkeit, die Stille und einfühlende Art heißen die (buddhistischen) menschlichen Qualitäten, mit denen Sterbende begleitet werden.
„Kein Lebender versteht den Tod wirklich“, meint Ostaseski gleich anfangs. Und lässt uns wissen: „Ich bin kein Romantiker, was das Sterben angeht. Es ist harte Arbeit, vielleicht die härteste, die wir in unserem Leben je tun werden. Es gerät nicht immer gut. Es kann traurig, unbarmherzig, chaotisch, schön und mysteriös sein. Doch vor allem ist es normal. Wir alle gehen da durch. Keiner von uns kommt lebendig von hier fort.“ So klare Worte zum noch immer tabuisierten Thema lassen aufhorchen. In den USA konstatiert der Autor eine Normalisierung des Verhältnisses zum Tod, was speziell zunehmenden Bewusstseins- und Achtsamkeitsbewegungen geschuldet sei. Für Europa ist das Buch beispiellos, finde ich, die Klarheit und Ehrlichkeit mit welcher der Prozess des Strebens geschildert wird ist einmalig. Wir treffen auf bekannte spirituelle Begriffe wie Loslassen, Vergebung, Nicht-Wissen, Präsenz, Achtsamkeit, Liebe. Zu allen erzählt Ostaseski eine Geschichte von Klienten, die Im Hospiz verstarben. Diese Geschichten sind zutiefst berührend bis erschütternd.
Welch zentralen Beitrag zum Leben Hospizarbeit voll liebevoller Begleitung leistet, ist einem nach der Lektüre dieses Kompendiums des Sterbens klar. Geballt erfahren wir von Bewusstwerdungsarbeit, die das Sterben erleichtert, wobei bedauernd aber nicht vorwurfsvoll angemerkt wird, wie traurig es sei, dass diese nicht vorher das Leben bereichert hatte. Der Tod stellt eben eine Zäsur dar, die an die essentiellen Dinge gemahnt, und selbst wenn befreiende Einsichten spät gelingen, das Sterben jedenfalls gelingt dann leichter. „Vergebung“ ist ein wesentlicher Faktor dabei; unmissverständlich macht Ostaseski klar, dass Vergebung dem Vergebenden am allermeisten hilft, da er bereit ist, Bitterkeit und Wut und Härte loszulassen. Vergeben heißt nicht vergessen. Doch führt zum Wiedererlangen inneren Friedens.
Das Buch ist nicht immer leicht zu lesen. Wie keines, dass den Tod, das Sterben zum Thema hat. Der gewiefte Autor lässt uns durchatmen, indem er diversen (Sterbe- bzw. Einsichts-)Erfahrungen buddhistische und generell spirituelle Weisheiten hinbeifügt. Er verweist auf sumerische, jüdische, christliche Bezüge – sicher eine Stärke seines universellen Geistes. Deutlich wird, dass religiöse Modelle nicht das wichtigste sind. Achtsamkeit, Einfühlung, oftmals das stille Begleiten des Sterbenden sind wertvoller als zu viele Worte. Die richtet Ostaseski an uns Lebende, damit wir gnadenvollerweise rechtzeitig aus den Erfahrungen der Sterbenden lernen. Hoffentlich haben wir ein ausrechend offenes Ohr und ein weites Herz genau hinzuhören. Die Heiligkeit, an die das Streben grenzt, scheint von Seite zu Seite entrückender durch das Buch. Der Sterbende begibt sich in diesen Raum – eine Gnade, wenn das in Ruhe und Frieden geschieht. Oftmals ist die Heiligkeit des Todes stark genug, den Frieden herzustellen. Dann spüren wir, sehen wir vielleicht die Brücke hinüber in ein anderes Land. Ostaseskis „fünf Einladungen“ sind jedenfalls selbst eine solche heilige Brücke. Deshalb ist es für mich ein heiliges Buch.


Genre: Ratgeber
Illustrated by Knaur München