Frauen in Speyer. Leben und Wirken in zwei Jahrtausenden. Ein Beitrag von Speyerer Frauen zum Jubiläumsjahr (hrsg. im Jubiläumsjahr der Stadt Speyer 1990)

Zitate zum 8. März (Weltfrauentag)

„Frauen leisten zwei Drittel der Arbeitsstunden, haben ein Zehntel des Einkommens und ein Hundertstel des Eigentums auf der Welt.“ Monika Griefahn

„Einer Frau steht Mut immer gut.“ Antonia Rados

„Ich kann die Stelle in der Bibel einfach nicht finden, in der Gott der Frau die Gleichberechtigung abspricht.“ (Sarah Moore Grimké, geb. 1792)

Spuren von Frauen?

“Wenn wir nun nach konkreten Zeugnissen oder wenigstens Spuren von Frauen suchen, dann erleben wir die Enttäuschung, daß selbst in den ausführlichen und farbigen Schilderungen des Speyerer Reichstages Frauen gar nicht vorkommen. Aber auch die wenigen Kirchenbücher aus dem 16. und 17. Jahrhundert, die durch die vielfältigen Kriegswirren und Fluchtbewegungen hindurch gerettet werden konnten, bieten nur spärliche Hinweise auf Frauen.” (S. 109)

„Da sind schon wieder keine Frauen drin!“

„Da sind schon wieder keine Frauen drin!“, empörte sich Frauenbeauftragte Friederike Ebli, als sie die neueste Ausgabe der Speyerer Geschichte in Händen hielt. Also beschloss sie, eine eigene Geschichte der Frauen der Stadt Speyer zum Jubiläumsjahr Speyers herauszugeben. Dafür stellte die Stadt aber wenig bis keine Unterstützung bereit, also musste Ebli sehen, wie sie das Projekt auf die Beine stellte und finanzierte. Sie wandte sich also an kompetente Frauen wie Archivarinnen, um die Speyerer Geschichte nach berühmten Frauen und überhaupt nach Frauengeschichte zu durchforsten – und sie wurde fündig. Außerdem arrangierte sie Treffen, an denen an dem Projekt interessierte Frauen teilnehmen konnten. Das erste schon war ein voller Erfolg, denn es kamen viele Frauen von z.T. sehr unterschiedlicher Herkunft und Profession, darunter viele Schwestern, die sagten: „Wir sind auch Frauen!“ Später sind sie zu einem beachtlichen Teil im Buch vertreten und zeigen auf, was die religiösen Frauen für eine tiefgehende nicht nur soziale Wirkung in ihrem Einzugsbereich hatten. Es waren auch Frauen dabei, die aufgrund ihres Berufes Korrektur gelesen oder lektoriert haben und auch sonst ehrenamtlich zu dem Buch beitrugen. Das Cover entwarfen Schülerinnen des Edith-Stein-Gymnasiums im Kunstunterricht. Es zeigt neben dem Zeichen für Weiblichkeit die Krone von Kaiserin Gisela, Gattin von Kaiser Konrad II. – der im Gegensatz zu seiner Frau nicht lesen und schreiben konnte (vgl. u.a. https://www.speyer.de/de/familie-und-soziales/frauen/historische-frauenspuren-in-speyer/kaiserin-gisela/, https://saeulen-der-macht-ingelheim.de/gisela-2/). Entstanden ist so ein Buch, das einen breit gestreuten Blick explizit auf die ignorierte und verdrängte Frauengeschichte wirft und diese wieder aus den Niederungen des Vergessens in das Licht der Erinnerung holt.

Frauen in deutlich mehr Bereichen tätig als in den sozialen

Natürlich fehlt in dem Buch ein Portrait dieser wichtigen Frau nicht, ebenso wenig wie das von anderen kaiserlichen Hoheiten wie Kaiserin Bertha, Beatrix und Agnes. Zunächst beginnt das Buch aber mit einer Spurensuche in der Frühzeit und im römischen Speyer, wo sich leider wenig Spuren finden lassen, auch recht wenig bzgl. einer Göttinnenverehrung.

Es geht weiter mit dem Leben und Wirken katholischer Frauen von den Anfängen bis zur Neuzeit und neuerer Zeit, die oft Frauenbildung fokussiert haben. Es folgt das Leben und Wirken evangelischer Frauen – die ersten Pfälzer Diakonissen stammten aus Speyer. Das Wirken dieser Frauen wird als „umfangreiche und vielseitige christliche Sozialarbeit“ (s. 115) beschrieben. Die evangelischen Frauen seien für die kulturelle und geistige Entwicklung der evangelischen Gemeinden ein wichtiger Schritt gewesen (S. 110).

Auch das Leben und Leiden jüdischer Frauen wird beleuchtet. Danach folgt eine kurze Skizze der Kleiderordnung von 1356 mit dem versuchten Modediktat der Speyerer Ratsherren. Es geht weiter mit dem Erwerbsleben von Speyerer Frauen im Mittelalter, in dem auch die Prostituierten sowie Brotmägde und Brezelfrauen vorkommen und an die wertschätzend und mitfühlend erinnert wird. Ebenso kommen in den Beiträgen Industriearbeiterinnen zu Wort bzw. ihrer und ihrer Lebensumstände wird erinnert (Baumwollspinnerinnen, Zigarrenmacherinnen, Ziegelarbeiterinnen, Frauen in der Konfektionsindustrie und Schuhfabrik, Kampf der Speyerer Frauen bei der VFW-Fokker-Aktion). Ebenso werden Frauen portraitiert, die in den „typischen“ (weil auf sie begrenzten) Frauenberufen tätig waren: Hebammen, Fürsorgerinnen, Lehrerinnen. Aber ebenso gab es Geschäftsfrauen, Künstlerinnen, Politikerinnen, Bademeisterinnen, Schriftstellerinnen, Fotografinnen. Die Frauen werden immer eingebettet in ihre Zeit dargestellt. Als Erziehende werden Lehrerinnen, Philosophinnen, Denkerinnen, Stifterinnen, Gründerinnen und theologisch tätige Frauen (Pfarrersfrauen) genannt.

Ein eigenes Kapitel wird den Frauen im Nationalsozialismus gewidmet. Dort werden sowohl die widerständigen Frauen als auch diejenigen Frauen beleuchtet, die die Nazi-Ideologie mitgetragen haben. Die Nazis wollten die Frauen wieder aus den Berufen und der Politik herausdrängen, um der männlichen Arbeitslosigkeit zu begegnen. Also bauschten sie das Mutterbild einer selbstlosen, opferbereiten Mutter auf, das keine Frau (ohne Schaden zu nehmen) erfüllen kann – und das immer noch in unserer Gesellschaft herumgeistert und Frauen das Leben schwer macht! Mich hat bei dieser Lektüre ein heiliger Zorn gepackt. Ein heiliger Zorn darauf, was Frauen seit der Sesshaftwerdung der Menschheit angetan wurde und immer noch wird. Auch das demonstriert das Buch eindrücklich: die Leidensgeschichte der Frau, die definitiv ohne das Patriarchat nicht in diesem schrecklichen Ausmaß hätte leiden müssen und immer noch leidet (Stichworte: Misogynie, Femizide, Ehrenmorde, Diskriminierung [u.a. auch im deutschen Strafgesetz und im Familienrecht], …)! Aber selbst die Nazis haben es nicht geschafft, die Frau vollständig aus dem Leben zu drängen – trotz gegenteiliger Aussagen wurden Frauen u.a. in der Rüstungsindustrie beschäftigt.

Frauen bleiben über die Jahrtausende im öffentlichen Leben sichtbar, ob man(n) das will oder nicht. Auch das zeigt das Buch: Wie Frauen immer wieder Mittel und Wege finden, trotz z.T. massiver Repressalien präsent zu bleiben und sich gegen die Unterdrückung zu wehren. Es zeigt auch, dass ohne die Frauen die Gesellschaft schon längst zusammengebrochen wäre – und das zeigt es allein durch die Darstellung der Frauenschicksale. Denn diese veranschaulichen sehr gut, dass eine Gesellschaft ohne das weitsichtige Handeln von Frauen zum Scheitern verurteilt ist. Leider wird ebenso deutlich, wie wenig Wertschätzung Frauen für ihre umfassende Wirkweise entgegengebracht wurde und wird. Im Gegenteil: Sie wurde (und wird) auch noch in ihren Tätigkeiten behindert.

Manche Fragen, die ich mir bei der Lektüre des Buches gestellt habe, blieben mir allerdings eine Antwort schuldig: Warum schießen die Stadt und die „hohen Tiere“ quer, wenn die Schwestern versuchen, ihre soziale Mission zu erfüllen? Diese Frage wird im Buch z.B. nicht beantwortet. Ebenso wenig die Frage, warum die berühmte katholische Gläubige Edith Stein ihren Glauben an Gott verloren hat. Und die vielleicht eher banale Frage: Was sammelte der Frauenbund eigentlich?

Bildung der Mädchen – das zentrale weibliche Anliegen

Ansonsten wird das zentrale Anliegen der Nonnen, Schwestern und Frauenbünde immer wieder deutlich: Bildung der Mädchen! Dieser rote Faden zieht sich durch alle Schilderungen von Frauenleben. Aber auch die sichere Vermittlung von Arbeitsstellen an junge Frauen war Thema bei Frauen und die Gewissheit, dass eine Hausfrau eine bessere Mutter ist, wenn sie die Tätigkeiten der Frauenbewegung verfolgt. Die Politik als Sache der Frauen wird von weiblicher Seite aus schon zuvor, aber erst recht nach dem Dritten Reich fokussiert. Auch brisante Themen wie Tschernobyl werden von Frauen angegangen. Es wird immer wieder deutlich, dass Frauen der Schutz der Natur, Frieden, Menschenrechte im Kleinen und im Großen sehr am Herzen liegen. Und genauso wird leider deutlich, dass Chronisten das Leben von Frauen unverständlicherweise für nicht überlieferungswürdig hielten (S. 146).

Bzgl. jüdischer Vorstellungen wird im Buch der Fokus ebenfalls auf das weibliche Leben gerichtet. Die Leser*innen erfahren, dass ein Ehevertrag sowohl Witwen als auch geschiedene Frauen schützen soll. Ebenfalls als Schutz angesehen wird die Vorstellung, dass die Frau „Königin des Hauses“ sein soll. Haus und Frau sind Zellen des jüdischen Glaubens, die Vielehe ist untersagt, Bildung verhindert eine frühe Verheiratung. Die Frau führt den Haushalt und hilft beruflich dem Mann; sie verdient den Lebensunterhalt oft mit. Die Frau wurde vom Gottesdienst erst durch islamisches „Vorbild“ separiert. Mädchen werden gebildet, um zur Regeneration des Judentums beizutragen, und die Frau bildet sich sowohl jüdisch als auch christlich. Der Anteil von jüdischen Mädchen in Töchterschulen ist hoch. Das Buch übt Kritik an der Speyerer Judenfeindlichkeit in der Vergangenheit.

Demonstrationen für ein besseres, lebenswerteres (weibliches) Leben

„Gegen den Brotwucher“ lautete die Parole 1901, um gegen die Erhöhung der Getreidezölle zu demonstrieren. Auch Frauen wollten demonstrieren; sie taten es bei einer Versammlung schließlich auch. Aber ein Polizeiwachtmeister verbot den Frauen, an der Demonstration teilzunehmen – er hatte zwar Erfolg, aber nur unter erregtem, starkem Protest der anwesenden Männer und Frauen mit dem Ruf: „Es lebe die Freiheit!“ Diese Episode zeigt etwas Exemplarisches: Man(n) versuchte immer wieder, Frauen aus dem öffentlichen und politischen Leben herauszudrängen. Bis heute, und das nicht „nur“ in Ländern wie Afghanistan und dem Iran.

Aber auch wirtschaftlich sieht es nicht besser aus: Frauen arbeiten und arbeiteten unentgeltlich oder für einen Hungerlohn – sie bekommen für die gleiche Arbeit deutlich weniger Geld. Das ist – Schande über jede Gesellschaft, die das zulässt – auch heute noch so. Im Buch wird anschaulich beschrieben, welchen Arbeitsbedingungen Frauen ausgesetzt waren. Das ist hart zu lesen, denn die Ausbeutung war enorm, ebenso der gesundheitliche Schaden für die Frauen. Und die Ausbeutung geschah in allen wirtschaftlichen Bereichen! Es tut sich ein Abgrund an unfassbar schlechten Arbeitsbedingungen auf. Im Buch heißt es z.B.: „Die Art und Weise, wie Lehrlinge in der Zigarrenindustrie eingestellt und ausgebildet wurden, spricht allen Begriffen von Lehrling und Lernen Hohn. […] In dieser Lehrzeit, in der von Ausbildung keine Rede sein konnte, bekamen sie nur einen sehr geringen Lohn.“ (S. 209) „Ich atmete die dicke, beißende Tabakluft und übergab mich zum Erbarmen.“ (S. 209) Tabakdunst und Tabakstaub legte sich auf die Arbeiterinnen und in die Lungen. Die vornübergebeugte, sitzende Arbeitsweise mit den Gesichtern direkt über den Händen verursachte das Zusammendrücken der Atmungs- und Geschlechtsorgane und das Einatmen von beträchtlichen Mengen an Tabakstaub – bei geschlossenen Fenstern! Es gibt keine Bestimmungen zum Schutz der Arbeiterinnen.

Auch die Arbeiterinnen in den Ziegelwerken waren unterbezahlt: Sie verdienten an einem Arbeitstag von 6 Uhr morgens bis 19 Uhr abends nach einem Streik wegen immer niedriger werdender Löhne 1, 60 M! Die jüngsten Mädchen von 14 bis 17 Jahren z.B. mussten 5000 Ziegel mit Schiebkarren eine 100 Meter weite Strecke schieben. Außerdem gab es zwar fließend Wasser, das aber unter Strafandrohung nicht zum Waschen benutzt werden durfte. Essen konnte nicht aufgewärmt werden, eine Umkleide gab es nicht.

Dafür bewirkten Ehefrauen durch konsequentes Durchhalten und Kämpfen, dass ihre Männer nicht von VFW-Fokker entlassen wurden, obwohl besagte Ehefrauen kein Stimmrecht hatten. Da zeigt sich, was eigentlich immer gilt: Wenn frau lautstark und konsequent für eine Sache eintritt, stehen die Aussichten auf Erfolg gut. Weswegen Vertreter des Patriarchats immer wieder versuchen, sie in mehrfacher Hinsicht stimm- und mundtot zu machen.

Insgesamt werden in dem Buch Frauen aller Couleur vorgestellt, wie oben schon erwähnt Bademeisterinnen, Fotografinnen, Geschäftsfrauen, Mundartdichterinnen ebenso wie die bekannte Schriftstellerin Sophie von la Roche und Henriette Feuerbach, die für den Maler Anselm Feuerbach wie eine zweite Mutter war. Aber wer kennt heute noch Franziska Möllinger, die erste Fotografin überhaupt? Sie leistete auf zwei Gebieten Pionierarbeit. Zum einen war die Arbeit des Fotografen in den ersten Jahrzehnten eine fast reine Männerarbeit. Frauen waren lediglich Assistentinnen, v.a. wegen der umständlichen, aufwändigen und z.T. gefährlichen technischen Seite des Berufs, denn die belichteten Platten wurden mithilfe von Quecksilberdämpfen entwickelt. Möllinger starb infolgedessen an Lungenschrumpfung. Möllinger war zum anderen die erste Reisefotografin, die die Strapazen des Reisens auf sich nahm.

Fazit

Das in sich abgeschlossene Buch versucht eine möglichst breite Darstellung von Frauenleben in vergangener Zeit zu bieten. Dafür musste aber z.T. tief in der Geschichte gegraben werden. Zudem wird deutlich, dass Frauen zwar vornehmlich im sozialen Bereich tätig waren (auf den sie nach männlicher Sicht auch beschränkt bleiben sollten), es aber immer wieder geschafft haben, aus diesem einengenden System auszubrechen und ihrer eigenen Berufung nachzugehen – unter deutlich mehr Mühen, als Männer auf sich nehmen mussten. Und es wird deutlich, dass Arbeit, die von Frauen verrichtet wird, geringgeschätzt und somit gering oder gar nicht bezahlt wurde – was bis heute ein unsäglicher Zustand ist. Das Buch verschweigt auch nicht die Diskriminierungen, denen Frauen immer wieder ausgesetzt waren, und dies allein durch die Darstellung der einzelnen Frauenschicksale. Sehr gelungenes Buch; es müsste deutlich mehr Bücher dieser Art geben, um das ignorante Schweigen zur Geschichte der Frauen zu durchbrechen. Schön zu hören: Anscheinend ist schon ein Folgeband in Planung.

Ausstellung in Schifferstadt

Dazu schreibt die Stadt:

Vernissage zur Ausstellung “Aus dem Schatten ins Licht” – starke Frauen aus 1000 Jahren Pfälzer Geschichte

Im Rahmen der Frauenwochen anlässlich des Internationalen Frauentags, haben die Gleichstellungsbeauftragten der Stadt die eindrucksvolle Ausstellung nach Schifferstadt geholt.

 

“Aus dem Schatten ins Licht – starke Frauen aus 1.000 Jahren Pfälzer Geschichte” stellt schlaglichtartig die Lebensbedingungen und Leistungen von 23 ausgewählten Frauen aus gut 1.000 Jahren Geschichte dar. Alle porträtierten Frauen haben einen Bezug zur Pfalz oder zu Gebieten, die historisch einmal mit der Pfalz verbunden waren. Die vorgestellten Frauen stehen exemplarisch für viele andere, meist namenlos gebliebene Heldinnen der Ereignis- und Sozialgeschichte.

 

Eröffnet wird die Wanderausstellung “Aus dem Schatten ins Licht – starke Frauen aus 1.000 Jahren Pfälzer Geschichte” am Montag, 27. März um 18.30 Uhr im Foyer des Rathauses der Stadtverwaltung Schifferstadt. 

 

Zur Ausstellung: 

Obwohl die Gender-Forschung in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte gemacht hat und die Leistungen von Frauen in Politik, Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft und Alltag in den Fokus gerückt sind, finden sich nur mühsam belastbare Hinweise auf “starke” Frauen in der Geschichte. Denn: Je weiter die Zeiten zurückgehen, desto schlechter ist die Quellenlage. Zu sehr war die Geschichtsschreibung männlich dominiert, zu sehr standen die Frauen im Schatten der Männer, zu sehr lagen ihre Leistungen in wenig öffentlichkeitswirksamen Bereichen: hinter Klostermauern, im Bereich von Haus- und Landwirtschaft, Handwerk und Gewerbe, Kindererziehung und Krankenpflege. Die Schriftstellerin O Zuge der Französischen Revolution 1791 eine “Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin”. Es war ein langer Weg bis ihr Artikel I zur gesellschaftlichen Realität wurde: “Die Frau ist frei geboren und bleibt dem Manne ebenbürtig in allen Rechten.” 1903 wurden in der damals bayerischen Pfalz zum ersten Mal Frauen zum Studium zugelassen, 1918 erhielten sie das Wahlrecht. Seit dem Grundgesetz von 1949 sind Männer und Frauen zumindest rechtlich gleichberechtigt. Allerdings brauchten Frauen noch bis 1977 die Zustimmung ihres Ehemannes, wenn sie berufstätig sein wollten. Angesichts der rechtlichen Unterordnung ist es nicht verwunderlich, dass die Lebensleistungen von Frauen entweder nicht wahrgenommen oder als selbstverständlich angesehen wurden.
“Aus dem Schatten ins Licht” wurde von den Stadtmuseen Ludwigshafen und Zweibrücken gemeinsam als Wanderausstellung konzipiert und produziert und ist ab 27. März bis einschl. 21. April zu den Öffnungszeiten im Foyer des Rathauses zu sehen.

Laufzeit der Ausstellung: 27. März bis 21. April 2023

 

Interessante weiterführende Links:

https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/gewalt-familie-umgangsrecht-kinder-vater-100.html#xtor=CS5-281

https://de.wikipedia.org/wiki/Alice_Guy-Blach%C3%A9

https://www.deutschlandfunkkultur.de/das-gelehrte-frauenzimmer-eine-andere-geschichte-der-philosophie-100.html?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE

https://de.wikipedia.org/wiki/Frauen_in_der_Wissenschaft


Genre: Emanzipation, Frauengeschichte
Illustrated by Progressdruck GmbH

Abby (2) – Totgesagte leben länger

Ausbruch aus dem einengenden und für Frauen gefährlichen Zeitgeist

Seit mittlerweile 16 Jahren ist Abby mit James verheiratet. Ihre Tochter Alison ist zu einer eigenwilligen jungen Frau herangewachsen, die unbedingt Ärztin werden will. Sie ist fast schon besessen von Wissen und ihr bedeuten Bücher alles. Ihr Wissensdurst und ihre überdurchschnittliche Intelligenz würden es Alison ermöglichen, ihren Schulabschluss vorzuverlegen. Aber ihr Vater James ist nicht mehr wie früher. Seit dem Tod seiner Eltern, die er bei einem Erdbeben verlor, hat James eine erzkonservative Richtung eingeschlagen. Er pocht darauf, dass die Frauen in seinem Haushalt ihm gehorchen müssen. Abby hat sich widerwillig arrangiert, denn wenn sie ihn verlassen würde, bliebe ihr nichts und sie würde Alison ohne ihre Unterstützung dem diskriminierenden Frauenbild ihrer Zeit preisgeben.

Aber als Abby erfährt, dass Butch Cassidy entgegen aller Unkenrufe noch am Leben ist und Butch ihr ein Leben an seiner Seite anbietet, erwacht allmählich wieder ihr alter Kampfgeist. Heimlich legt sie Schmuck und andere wertvolle Dinge zurück, leitet den früheren Schulabschluss ihrer Tochter in die Wege und verlässt James, nachdem dieser sie geschlagen hat. Alison nimmt sie mit, damit sie nicht der Willkür ihres Vaters zum Opfer fällt. Aber James lässt diese Demütigung nicht auf sich sitzen und schickt ihnen Häscher hinterher. Wenn diese Abby und Alison finden, ist nicht nur die Freiheit der beiden Frauen in Gefahr, sondern auch das Leben von Butch Cassidy.

 

Egalität der Geschlechter

Der 3. Band der Reihe ist durch die Flucht und die daraus erwachsenden Abenteuer sehr spannend, er bietet auch zwei starke Frauenfiguren, die sich trotz aller Widrigkeiten behaupten und das Leben lieben. Wie es Abby schon in den ersten beiden Bänden gemacht hat, bieten sowohl sie als auch ihre Tochter Alison einem schockierend demütigenden, diskriminierenden Frauenbild die Stirn und leben ihr eigenes, wesentlich erfüllteres Leben. Dabei stellen sie fest, dass jede Frau eine andere Vorstellung von einem erfüllten Leben hat: Abby möchte ihres an der Seite eines Mannes verbringen, der sie nicht einengt, dafür aber in allem, was sie tut, unterstützt. Diesen Mann findet sie schließlich in Butch Cassidy, der ebenfalls andere – wesentlich humanere – Vorstellungen von Frau- und Mannsein hat, als der Zeitgeist es vorschreibt. Alison dagegen sieht ihre Erfüllung in ihrem Beruf und will sich privat nicht binden müssen. Sie zieht Wissen und den Dienst an Frauen in Form ihres Berufes einer Beziehung vor, lebt aber trotzdem nicht abstinent. Aber beide müssen für ihre Freiheit Opfer bringen: Abby und Alison verlieren einander. Und das sollte eigentlich nicht sein, dass ein erfülltes Leben zu (großen) Opfern zwingt – in einer egalitären Gesellschaft wären solche Opfer nicht nötig.

 

Alison ist auch entsetzt darüber, wie viele Frauen unter männlicher medizinischer Behandlung sterben und dass Frauenbelange nicht berücksichtigt werden. Das erinnert an heutige Erkenntnisse, dass die Medizin auf Männerkörper abgestimmt ist und deshalb Frauen schlechter medizinisch behandelt werden und wegen dieser falschen Behandlungen eher sterben.

 

James, früher ein offener, junger Mann, ist zu einem Patriarch erster Güte mutiert: Er will Herrschaft ausüben, koste es, was es wolle. Und wenn es das Wohl der Frauen seiner Familie kostet, hauptsache, er hat recht (Recht ist nicht Gerechtigkeit!) und kann seine Herrschaft weiter ausüben. Demgegenüber steht Butch Cassidy, eine ambivalente Figur: Seine Straftaten sprechen definitiv nicht für ihn, dafür umso mehr seine Ansichten über Frauen – die respektiert und unterstützt er und lässt ihnen alle Freiheiten. Er beutet sie weder sexuell, noch sozial, noch wirtschaftlich, noch politisch aus. Das alles zwar auch nicht von Anfang an, aber er ist willig zu lernen, auf Frauen einzugehen. Dieser Wille fehlt James irgendwann völlig, weswegen er den wohlverdienten Widerstand von Abby und Alison erntet – permanent und deutlich spürbar. Der Roman zeigt also auch, wie wichtig es für Frauen ist, sich gegen Ungerechtigkeiten zu wehren und sich lautstark Gehör zu verschaffen – nur dann ändert sich etwas, denn Männer, die Privilegien auf Kosten von Frauen genießen, wollen diese keinesfalls aufgeben. Lieber schaden sie missliebigen Frauen oder – noch besser – bringen sie um, wie die Geschichte der Emanzipation der Frauen immer wieder zeigt.

 

Diversität – DAS Überlebensprinzip der Natur

Der Roman punktet aber noch mit einem weiteren Thema: das der Diversität. Alison ist nämlich eine Autistin, genauer gesagt eine Asperger Autistin. Das hat zwar so seine Nachteile, aber auch einige Vorteile, die im Roman auch zum Vorschein kommen, da Alison ihr Expertenwissen stetig erweitert und für eine gute Sache einsetzt, sowie für ihre Themen brennt und sich auch durchsetzt. Das wird im Roman nie ausdrücklich so benannt, aber wer die Anzeichen von Autismus kennt, erkennt sie auch an Alison. Abby erkennt die Andersartigkeit ihrer Tochter an, James nicht. Ein Schelm, wer da Ähnlichkeiten zwischen Frauenbewegungen und LGBTQ+- Bewegungen einerseits erkennt und andererseits James an alles erinnert, was frauenfeindlich, homophob usw. ist… Alison ist übrigens auch bisexuell.

 

Beide Frauen, Abby wie Alison, stehen für Fortschritt und Menschlichkeit. Denn der Status Quo bringt in einer patriarchalen Gesellschaft v.a. Leid, während der Fortschritt in Menschlichkeit und der Anerkennung der Diversität Türen zu einem besseren Leben öffnet. Sieht man sich die Natur mit ihrer unglaublichen Artenvielfalt und ihren unglaublich vielen Überlebensstrategien an, der weiß, dass Monokulturen auf Dauer niemals funktionieren können, aber in der Zeit, in der sie funktionieren, Schaden anrichten. Was Frauenfeinden, Homophoben, Klimaleugnern usw. zwar egal ist, aber Mutter Natur ist unbestechlich: Auch sie werden Katastrophen erleben, Schaden nehmen und evtl. sogar daran sterben.

 

Fazit

Ich mache es kurz und schmerzlos: Dieser Western aus Frauensicht ist in mehrerlei Hinsicht lesenswert!


Genre: Emanzipation, Western
Illustrated by Bogner

Abby: Mit Butch Cassidy auf dem Outlaw Trail (Erster Band der Reihe)

Frauen als Outlaws

 

Die 16-jährige Abigail (Abby) Clearwater ist mit ihrem Leben unzufrieden: Als Mormonin aufgewachsen, soll sie nun als 5. Frau an einen alten Mann verschachert werden, um diesen den heiß ersehnten Sohn zu gebären. Also nutzt sie die Gelegenheit zu fliehen, als sich diese mit dem Outlaw Fynn Johnson ergibt. Abby ist von der Vorstellung fasziniert, ebenso frei, wild und ungebunden leben zu können wie die Outlaws und macht sich mit Beharrlichkeit und Selbstbewusstsein daran, von den Männern akzeptiert zu werden. Das gelingt ihr auch und sie ist nicht nur bei mehreren Überfällen dabei, sondern überfällt sogar allein eine Bank. Abby genießt ein paar Jahre lang die Freiheiten und den Geldsegen. Sie hat sich z.B. die Freiheit erkämpft, ein ähnliches Liebesleben wie die Männer zu führen, die wechselnde Liebschaften haben, ohne dass sich die Gesellschaft daran stört. Außerdem lernt sie ausgezeichnet schießen, reiten und die unwirtlichen Lebensbedingungen in den Verstecken auszuhalten. In ihren Freiheitsbestrebungen wird sie nicht nur von Fynn unterstützt, sondern auch von Butch Cassidy und Elzy Lay. Es bleibt aber bei der Unterstützung, denn Abby will sich selbst Respekt verschaffen. Auch das gelingt ihr, denn Elzy lehrt sie Verteidigungstechniken, die Abby ohne zu zögern anwendet, wenn ihr Gefahr droht. Aber irgendwann stellt sie fest, dass dieses Leben ohne Weiteres mit dem Tod enden kann und sie will auch nicht mehr die Unbequemlichkeiten der Verstecke auf sich nehmen. Eine Auszeit in San Franzisco verschafft ihr Klarheit über ihr weiteres Leben: Sie will sich niederlassen und heiraten.

 

F*ck you, Patriarchat!

 

Wer jetzt aber denkt, dass damit Abbys mühsam erkämpfte Freiheiten wieder für den Teufel sind (wie oft in der nicht nur historischen Literatur immer wieder propagiert), der irrt: Sie sucht sich ihren künftigen Gatten genau aus und geht offen mit ihrem Liebesleben und ihrer gesetzlosen Vergangenheit um. Außerdem steht sie finanziell auf eigenen Füßen, sodass sie ihren Gatten jederzeit verlassen kann.

Claudia Fischer stellt hier eine Frau vor, die ihr Leben unter schwierigsten Umständen in die eigenen Hände nimmt, und verweist dabei auf historische Frauenfiguren, denen ihre erfundene Abby nachempfunden ist. Abby und ihre historischen Vorbilder sind in jedem Fall Vorbilder, denn sie zeigen Frauen, wie frau sich aus allen toxischen Beschränkungen befreit, die das Patriarchat ihnen auferlegen will.

Was Abby hier auch zeigt, ist nach dem Buch „Die Wahrheit über Eva“ genau das, was Jäger*innen und Sammler*innen schon in der Steinzeit gelebt haben: Frauen waren angesehene Mitglieder der Gesellschaft, die ihr Liebesleben frei leben konnten (sich dabei aber ihre Männer – wie Abby auch – genau aussuchten) und sich damit sogar Vorteile sicherten. Denn da die Männer nicht genau wussten, wer der Vater der Kinder ist, versorgten mehrere Männer den Nachwuchs mit und ermöglichten damit weit bessere Überlebenschancen der Kinder – und sogar die Entwicklung des Gehirns über den Affenstatus hinaus zum Menschen! Die patriarchale Erfindung der lebenslangen Ehe hatte dagegen nur einen Zweck: Die Frau in ihrer Sexualität einzuschränken, so ihre Kraft zu schwächen und dem Mann sicherzustellen, dass der Nachwuchs nur von ihm allein ist – während der Mann selbst so viele Liebschaften haben konnte, wie er wollte. Aber selbst unter diesen Bedingungen suchten sich Frauen ihre Liebhaber aus und die so entstandenen Kinder waren dann eben Kuckuckskinder. Patriarchale Beschränkungen funktionieren nicht und haben nie wirklich funktioniert, denn Frauen suchen sich und finden immer ihre eigenen Wege (entweder offen oder heimlich), um die für sie toxischen Regeln zu umgehen. Abby rebelliert offen, muss dafür aber überstark sein, um das auch durchzusetzen. Das ist leider ein Preis, den auch heute noch viele Frauen zahlen müssen, um im Leben zu bestehen.

Die Gemeinschaft, die in dem Buch beschrieben wird, hat mich noch weiter an die Traditionen der Jäger*innen und Sammler*innen erinnert (denn auch Frauen jagten damals und waren in ihrem Alltag besser trainiert als weibliche Olympioniken): Die Gemeinschaft sichert das Überleben. Und da kann man(n) sich unnütze Beschränkungen der Frau schlicht nicht leisten, zumal Frauen ganzheitlich denken und das als Qualität für Führungspersönlichkeiten nachgewiesen ist. Auch Abby sorgt mit ihren Ideen und ihrer Vorgehensweise immer wieder für eine Verbesserung der Situation und sichert sogar an einigen Stellen das Überleben der Gruppe in brenzligen Situationen. Und ein weiteres Merkmal der Jäger*innen und Sammler*innen hat Abby als Überlebensstrategie (wieder-)entdeckt: die Vernetzung mit anderen Frauen. Frauennetzwerke sind extrem stark und effizient, deshalb wurden und werden sie vom Patriarchat immer wieder attackiert. Abby nutzt die wenigen Freundschaften mit Frauen, die sie in der Zeit des gesetzlosen Weges und später in der Ehe mit James hat, optimal, um Rückhalt zu gewinnen, wenn sie diesen braucht.

 

Ein paarmal bin ich über Ungereimtheiten gestoßen, die sich aber meist im Laufe der Lektüre geklärt haben. Ich habe mich z.B. gefragt, warum Abby bei all ihren Liebschaften keine Kinder bekommen hat. Fischer erklärt das mit mehreren Fehlgeburten, die plausibel klingen, wenn man bedenkt, welch hartes Leben Abby hat führen müssen. Warum Abby sich aber trotzdem in die Rolle der Hausfrau bei den Outlaws hat drängen lassen, obwohl sie sonst so durchsetzungsstark ist und alle Rollenklischees gesprengt hat, hat sich mir nicht wirklich erschlossen. Es wäre ihr ein Leichtes gewesen, den Männern den Kochtopf und den Putzlappen vor die Füße zu knallen und zu sagen: „Macht doch euren Scheiß allein – ach ja und wenn wir schon dabei sind: Ich will Eintopf zum Mittagessen, aber pronto!“

 

Wunderbar an dieser Reihe ist auch, dass in dem sonst so männer- und testosterondominierten Western-Genre eine Frau die Hauptrolle spielt. Frauen wurden in der Geschichtsschreibung immer wieder absichtlich ausradiert, was allmählich mehr und mehr ans Tageslicht kommt. Eine logische Konsequenz ist die Sichtbarmachung der Frau nicht nur in einer gendergerechten Sprache, sondern auch in der Geschichtsschreibung und darüber hinaus in der Belletristik. Ein weitere Sichtbarmachung gerade in angeblich männerdominierten Genres ist also sehr wünschenswert und Claudia Fischer trägt mit ihrer Reihe ihren Teil dazu bei.

 

Empfohlen!


Genre: Emanzipation, Western
Illustrated by Bogner

Das Frausein in den Sechzigern

ferrante3Sich zu entscheiden, heißt jemandem wehtun“. Lena befindet sich in einem außergewöhnlichen Transformationsprozess, ganz so wie die bewegten Siebziger Jahre um sie herum. Es wird viel demonstriert und diskutiert und die Frauen werden sich ihrer unterdrückten Rolle im Patriarchat bewusst. Aber nicht nur die Arbeiter befinden sich im Ausstand, auch Studenten kommen zu ihren Prüfungen mit einer geladenen Pistole, um ein besseres Prüfungsergebnis zu erzielen. So ergeht es zumindest Pietro, dem Ehemann Lenas, der an der Hochschule in Florenz als Professor arbeitet. Der dritte Teil der Neapolitanischen Saga hat es in sich: privat und politisch.

Frausein unter Freundinnen

Mit dem Vorwurf konfrontiert „Liebesgeschichtchen“ zu schreiben räumt Lena in „Die Geschichte der getrennten Wege“ endgültig auf, denn sie zeigt sich zunehmend politisiert und wird sich ihrer Rolle als Frau in der Gesellschaft bewusst. Ihr zweiter Roman, den Lena während ihrer Ehe und zwei Schwangerschaften zu schreiben versucht, entpuppt sich zwar als Flopp, dafür thematisiert sie im dritten Buch ihr Frausein und die Rolle der Frauen in der (italienischen) Nachkriegsgesellschaft und davor: „Die Reduzierung meiner Person auf eine gedeckte Tafel für den sexuellen Appetit des Mannes, auf ein gut gekochtes Gericht, damit ihm das Wasser im Mund zusammenläuft.“ Und dennoch unterwirft sie sich der klassischen Stutenbissigkeit als sie ihrer Konkurrentin, Eleonara, der Frau ihrer Jugendliebe Nino, begegnet und misst sich mit ihr, um nicht gerade schöne Worte über sie finden. Aber das beruht bekanntlich auf Gegenseitigkeit.

Sprache der Klasse

Schöne sprachliche Bilder wie „Ich legte den Hörer auf, als hätte ich mich an ihm verbrannt“ oder „Mein Kopf war ein Tränenquell wie der des rasenden Rolands“ wechseln sich mit Überlegungen zur eigenen Sprachfindung ab. Denn der „Rione“ – das Viertel Neapels in dem Lena geboren wurde – nötigte ihr immer wieder dann seine Sprache auf, wenn sie nervös und unzufrieden war und das beeinflusste auch ihr Denken, obwohl sie längt in die höheren Sphären der Gesellschaft aufgestiegen ist und in Florenz lebt, mit einem hochangesehenen Ehemann, zwei Kindern und den Ariostas, einer einflussreichen Familie, im Hintergrund. Reife bestehe darin, denkt sich Lena, sich nicht zu sehr aufzuregen und die Wende zu akzeptieren, die das Leben nehme, „einen Weg zwischen der Praxis des Alltags und theoretischem Erkenntnissen einzuschlagen, zu lernen, sich anzusehen, sich zu erkennen, während man auf große Veränderungen wartete“. Mit einem gekonnt arrangierten Cliffhanger leitet Elena Ferrante zum vierten Teil der Neapolitanischen Erfolgssaga über, der aber auf Deutsch bei Suhrkamp erst am 5. Februar 2018 – mit dem Titel „Die Geschichte des verlorenen Kindes“ – erscheinen wird. Man(n) kann es gar nicht mehr erwarten.

Elena Ferrante
Die Geschichte der getrennten Wege – Band 3 der Neapolitanischen Saga (Erwachsenenjahre)
Aus dem Italienischen von Karin Krieger
D: 24,00 € /A: 24,70 € /CH: 34,50 sFr
2017, gebunden, 540 Seiten
ISBN: 978-3-518-42575-6


Genre: Belletristik, Biographien, Briefe, Emanzipation, Erfahrungen, Erinnerungen, Feminismus, Frauenliteratur, Gesellschaftsroman, Memoiren
Illustrated by Suhrkamp Frankfurt am Main