Wut – Was Islamisten und Rechtsextreme mit uns machen

Julia Ebner hat rechtsextreme und islamistische Szenen (vor allem in Großbritannien) untersucht und festgestellt, wie viele Ähnlichkeiten sie haben.

Dazu hat sie zahlreiche Ex-Extremisten aus beiden Lagern befragt und sich undercover in den entsprechenden Szenen umgetan. Das auffälligste, wie sehr beide sich aufeinander beziehen. Kaum steht ein islamistischer Post im Netz, findet er sich in den rechtsextremen Foren mit entsprechender Empörung zitiert, als Beispiel, dass alle Muslime Terroristen sind. Und jeder Post gegen Muslime der Rechtsradikalen findet sich umgehen auf den Seiten salafistischer Prediger wieder, als Beweis, dass der Westen nie den Islam akzeptieren wird.

Radikale spielen sich die Bälle zu

Ohne Islamisten wären die Wahlergebnisse der rechtsradikalen Parteien sehr viel kleiner und ohne die rechtsradikalen Seiten würden sich die Salafisten sehr viel schwerer tun, Anhänger zu überzeugen. Was beide eint, ist nicht nur, dass sie sich die Bälle zuspielen, sondern auch ihr Hass auf das System, auf Demokratie und die politische Mitte. Wie alle Radikale kennen sie nur schwarz und weiß, nur gut und böse.

So eint sie auch das Bestreben, die Gesellschaft in zwei Grupen zu spalten und den Bürgerkrieg zu führen. Natürlich nur der guten Sache willen.


“Der Westen bekämpft den Islam und will ihn vernichten”, “Der Islam bekämpft den Westen und will ihn vernichten” sind die fast gleichen Grundaussagen. Auch die Struktur der Gruppen ist ähnlich, beide leben in Filterblasen, alles, was nicht der eigenen Ideologie entspricht, ist nicht wahr, sondern erfunden und die Mitglieder, die sich diesem Verdikt nicht unterwerfen, sind höchst verdächtig. Natürlich darf man auch nicht mit Andersgläubigen verkehren, keine Freune außerhalb der eigenen Gruppe haben, geschweige denn, mit solchen Leuten diskutieren.

Sekten in der Filterblase

Vielleicht ist die ständige Betonung mancher Linker “man dürfe nicht mit Rechten reden”, genau das, was diese Gruppen wollen? Denn die wichtigste Erkenntniss des Buches erstaunt: Es gibt viele, die sich aus diesen Gruppen gelöst haben und die Autorin hat sie interviewt. So geschlossen, wie sie gerne sein möchten, sind sie offenbar doch nicht. Das zumindestens macht Mut. Und Mut brauchen wir in einer Situation, in der die Radikalen immer größere Macht gewinnen.
Das Buch glänzt durch ein ausführliches Quellenverzeichnis, etwas, das leider viele andere Sachbücher zum Thema vermissen lassen. Einziger Kritikpunkt: Es ist etwas arg lehrbuchhaft geschrieben, manchmal macht das das Lesen mühsam. Dennoch ein lesenswertes Werk darüber, wie sich zwei Extreme die Bälle zuspielen.


Genre: Sachbuch
Illustrated by Theiss

Der letzte Überlebende

ÜberlebendeSam war gerade mal 13 Jahre alt, als die Wehrmacht in Polen einmarschierte. Mit der Familie lebte er in einem oberschlesischen Städtchen, der Vater war Schneider und stopfte den Leuten die Hosen. Da wurde aus dem Städtchen ein Ghetto, und Sam, der damals noch »Szlamek« hieß, war mittendrin. Er überlebte, auch den Todesmarsch nach Auschwitz, die Selektion durch Mengele, die Zwangsarbeit, den Schiffbruch auf der Cap Arcona. All das erlebte Sam in den kurzen Jahren seiner Kindheit und Jugend. Vierzehn Mal entging er dem Tod. Der Krieg ließ keine Möglichkeit, an ein Morgen zu denken. Und wen interessierte nach dem Krieg das Gestern? Am Ende seines unglaublichen Lebens gelingt es Sam Pivnik, einem der letzten Überlebenden von Auschwitz, darüber zu sprechen.

Sam wuchs in ärmlichen aber glücklichen Verhältnissen im oberschlesischen Städtchen Bedzin auf. Der Vater arbeitete als Schneider, die Mutter war Hausfrau. Sam und seine 5 Geschwister gingen zur Schule und freuten sich jedes Jahr auf den Sommer, den sie im ca. 80 Km entfernten Örtchen beim Onkel verbrachten.

Zwar gab es auch vor dem Krieg schon immer Reibereien mit nicht jüdischen Familien denn Juden waren noch nie besonders gut angesehen aber als am 1. September 1939 die Deutschen in Polen einfielen, änderte sich alles und plötzlich waren die Juden DER „Feind“ schlechthin.

Der Ort Bedzin wurde bombardiert, viele Leute flüchteten aber Sam und seine Familie blieben. Schon sehr bald herrschten Nahrungsmittelknappheit und bittere Armut aber als jüdische Familie brauchten die Pivniks gar nicht erst mit Unterstützung, egal von welcher Seite, zu rechnen. Die Lage wurde immer schlimmer und schon bald musste die Familie ihre Wohnung aufgeben denn auch in Bedzin wurden am Stadtrand die ersten Ghettos errichtet und Juden durften nicht mehr in ihren gewohnten Umgebungen wohnen. Auch in den wenigen Geschäften in denen sie vor kurzem noch Lebensmittel erwerben durften gab es für sie bald nichts mehr zu essen …

Dann wurde eines Tages auch das Ghetto geräumt und die Juden sollten „umgesiedelt“ werden. Es entstanden Tumulte und viele Familien die sich weigerten wurden erschossen. Sam und seine Familie versteckten sich mehrere Tage aber der drohende Hungertod und die Angst vor dem verdursten ließen sie schließlich kapitulieren und so wurde auch die Familie Pivnik in einen überfüllte Zug gepfercht und abtransportiert … Die Reise endete in Auschwitz-Birkenau, dem berühmtesten und grausamsten „Arbeitslager“ der NS Zeit.

Bereits bei der Ankunft an der „Rampe“ wurde Sam von seiner Familie getrennt denn er wurde nach rechts geschickt, seine komplette Familie aber nach links in die Gaskammern. Die nächsten Jahre erlebte Sam eine unvorstellbare Hölle und es ist bis heute noch unglaublich dass er diese überhaupt überlebt hat.

Die Geschichte beginnt mit Sams Erzählungen darüber wie er schwer erkrankt mit „Judenfieber“ (Typhus) auf der Krankenstation in Auschwitz-Birkenau erwacht und nur knapp dem Tode entkommt weil ihn der berüchtigte Dr. Mengele trotz seiner schweren Krankheit doch nicht in die Gaskammer bringen lässt.

Dann macht die Geschichte einen Sprung zurück und in den ersten Kapiteln wird über Sams Kindheit in Bedzin vor dem Krieg, den Sommern auf dem Land und seinem bisherigen Leben erzählt. Dann geht alles rasend schnell und die Geschichte entwickelt ein dramatisches Tempo! Mit unglaublich viel Detailgenauigkeit und einem enormen Erinnerungsvermögen (auch was Namen von Personen und Daten betrifft) durchlebt man quasi gemeinsam mit Sam die unvorstellbar schrecklichen Jahre der Gefangenschaft.

Selbstverständlich wird die Geschichte aus Sams Ich- Erzählperspektive erzählt, so dass man wirklich das Gefühl hat Sam zu begleiten! Man kann es sich eigentlich nicht vorstellen dass überhaupt ein einziger Mensch dieses Grauen und diese Willkür überlebt hat aber Sam hat es geschafft und er ist dem Tod unzählige Male nur ganz knapp entkommen.

Ich konnte das Buch kaum mehr aus der Hand legen, es war extrem spannend, hat mich extrem ergriffen und mehr als einmal sind mir Tränen in die Augen gestiegen. Unfassbar was Sam alles erleben und erdulden musste.

Natürlich haben wir alle schon unzählige Bücher über den Holocaust gelesen (in der Schule wurde man ja jahrelang mit fast nichts anderem überschüttet) aber dieses Buch war das Beste aber auch grausamste das ich je zu diesem Thema gelesen habe.

Jeder kennt mit Sicherheit auch unzählige Reportagen über die Judenvernichtung in den verschiedenen Konzentrationslagern aber es ist doch noch mal etwas ganz anders wenn es um Einzelschicksale geht und man die Figur/Person quasi auf einem jahrelangen Leidensweg begleitet, mit ihr mitfiebert und eine emotionale Bindung zu ihr aufbaut.

Sams Geschichte ist auch etwas ausgewöhnlicher als die anderer Juden, denn Sam hatte zumindest ein wenig Glück im Unglück. Während die meisten Juden nur kurze Zeit in Auschwitz arbeiten „durften“ und dann ins Gas geschickt wurden, kam Sam irgendwann raus aus Auschwitz und musste in einem alten polnischen Kohlebergwerk arbeiten. Auch dort war das Leben die Hölle auf Erden aber dort hat er überlebt.

Sehr interessant fand ich auch dass man durch Sams Erzählungen von vielen SS-Leuten erfährt, von denen man vorher noch nie etwas gehört hat, einfach weil sie nicht so bekannt sind/waren. Sie standen den „hohen Tieren“ an Grausamkeit aber in nichts nach.

Sam überlebte nicht nur Auschwitz, das polnische Bergwerk und den Todesmarsch kurz vor der Befreiung, sondern auch die Bombardierung des Schiffes „Cap Arcona“ auf das er mit unzähligen anderen überlebenden Juden von der SS zusammengepfercht wurde. Es ist wirklich unglaublich wie oft Sam dem Tod entkommen ist, ich glaube es gibt keinen Menschen der mehr Schutzengel auf seiner Seite hat.

Auch von diesen Ereignissen erzählt Sam ausführlich, und ich habe jedes Wort verschlungen.

Sehr gut finde ich auch dass man auch viel über Sams späteres Leben nach dem Krieg erfährt. Man erfährt wie die erste Jahre verlaufen sind, wie es ihm ergangen ist, was aus ihm geworden ist und wie er alles verkraftet hat. Erstaunlich dass man so eine Jugend und solche Erlebnisse überhaupt verkraften kann.

Außerdem erfährt man auch, was aus gewissen SS-Monstern aus Auschwitz geworden ist, denn selbstverständlich haben Sam diese Jahre nie wieder losgelassen, und er hat immer versucht zu verfolgen, was aus seinen Peinigern geworden ist und hat auch einiges unternommen um zumindest ein paar dieser Monster zur Rechenschaft zu ziehen. Auch darüber wird in den letzten Kapiteln ausführlich berichtet und das hat mir ausgesprochen gut gefallen.

In der Mitte des Buches findet man 15 Seiten mit Originalfotos von Sam und seiner Familie, von der Befreiung und auch aus seinem späteren Leben. Diese Fotos haben mich auch sehr berührt und bringen einen das Buch NOCH einmal ein Stück näher.

Ich könnte noch ewig weiterschreiben aber irgendwann muss ja auch mal Schluss sein. Ich hoffe meine Rezension kann diesem Buch irgendwie gerecht werden denn es ist ein absolut großartiges Werk und unbedingt zu empfehlen!!

Allerdings ist es nichts für schwache Nerven, es ist extrem heftig.

Ganz, ganz großes Kino. Ich bin extrem begeistert!!

Sam Pivnik wurde 1926 in Oberschlesien geboren und lebt heute in einem Seniorenheim in London


Genre: Biographien, Erfahrungen
Illustrated by Theiss