Wüste Meere

Mit sieben Erzählungen legt Dominguez nach »Das Papierhaus«, seiner Hommage an die Welt der Bücher, eine poetische Huldigung an Wasser, Fluss und Meer vor, die den Einfluss des feuchten Elements auf die Welt der davon abhängigen Menschen bezeugt. Der Autor wurde im argentinischen Buenos Aires am Südufer des Rio de la Plata geboren und lebt im uruguayischen Montevideo am Nordufer der gewaltigen Mündung des Silberflusses. Für die eng besiedelte Region rund um das von den südamerikanischen Strömen Paraná und Uruguay gebildete Delta spielt die Nähe zum Wasser eine elementare Rolle.

Ein Junge schwimmt mit seinem alternden Idol, dem Tarzan-Darsteller Johnny Weißmüller, um die Wette und versucht, dessen Ehre zu wahren. — Der einzige Bewohner einer kleinen Insel, die im Orkan untergeht, rettet seine nackte Haut auf einen Baum zu einer Schar Reiher, während Wind und Wasser seine Habseligkeiten zerfetzten. — Mancuso, ein alt gedienter Kapitän, will ein viel versprechendes Wrack bergen, das sich aber als Versicherungsbetrug entpuppt, und verschwindet von der Bildfläche. — Die tapfere Besatzung eines durch viele Hände gegangenen Schiffes, das einer Sandbank in die Falle ging und auf ihr gefangen liegt, verliert langsam den Verstand, während sie auf das befreiende Hochwasser wartet. — Ein junger Mann geht auf die Suche nach seinem Vater, der bei Flusspiraten im Delta des großen Flusses vor sich hin vegetiert. — Ein Offizier eines Öltankers berichtet vom Angriff eines iranischen Raketenschnellbootes im Golfkrieg und dem verheerenden Brand seines Schiffes. — Auf einem riesigen Frachter, für den kaum noch Personal benötigt wird, treffen sich ein spanischer Offizier und ein polnischer Maschinist auf eine Flasche Grappa und führen in ihrer Einsamkeit eine aufrichtige Unterhaltung, ohne dass der eine auch nur ein Wort des anderen versteht.

Durch geschickt gewählte unterschiedliche Perspektiven versteht es der Erzähler, einen Eindruck von der grandiosen Macht der Elemente zu vermitteln. Besonders auf Landratten wirken die Texte über die erstaunliche Natur wüster Flüsse und Meere eindringlich und dicht.


Genre: Kurzgeschichten und Erzählungen
Illustrated by Eichborn Verlag

Neue Vahr Süd

regener_vahrWie erging es Frank Lehmann eigentlich, bevor er nach Berlin-Kreuzberg kam, dreißig Lenze und „Herr Lehmann“ wurde? Er wuchs in der Provinz auf, genauer gesagt in einem scheußlichen Stadtteil von Bremen, der jetzt auch als Titel auf einem großartigen Roman prangt: Neue Vahr Süd.

Frank lebt noch bei den Eltern, als die Bundeswehr nach ihm ruft. Von Natur aus ein wenig verlangsamt, vergisst er, obwohl er eigentlich nicht zum Bund will, zu verweigern. Er wird trotz Tricks und Täuschungsversuchen eingezogen und singt bald den öden Blues der Grundausbildung, in der die jungen „Schnüffel“ von kaputten Kommissköppen geschunden werden. Sein Glück im Unglück ist, dass er in Bremen stationiert bleibt, so kann er zum Wochenende seine Freunde sehen und sich auch um die chaotische Wohngemeinschaft kümmern, in die er mittlerweile eingezogen ist.

Irgendwie will er dann doch noch verweigern, scheitert dabei aber an den Clowns, die sein Gewissen „prüfen“ sollen. Also kriecht er weiter durch den Schlamm. Nur das „feierliche Gelöbnis“ will er auf keinen Fall mitmachen, und so kommt es zu einem herrlichen Showdown, der derartig anschaulich und detailreich geschildert wird, dass es eigentlich schade ist, dass schließlich die Akte des Rekruten Lehmann aus den schlammigen Tiefen der Bundesbürokratie auftaucht und ihn leider, leider, leider für untauglich erklärt.

Es hätte doch noch so wundervoll weiter gehen können, lieber Frank, und nun musst du nach Berlin, um Herr Lehmann zu werden. Da liest man das Buch am besten gleich ein zweites Mal!


Genre: Romane
Illustrated by Eichborn Verlag