Kant. Erzählung. Krimi.

Kant. Ein knallharter Hard-boiled Krimi des deutschen Literaturgenies Fauser

Kant. “Im Auge des Tiger ist kein Platz für eine Ameise.” Das einzigartige und unglaubliche Werk Jörg Fausers zeitigte auch einige Krimis. Einer davon ist “Kant“, der als Fortsetzungsroman für die Zeitschrift Wiener geschrieben wurde und erstmals 1987 auch als Taschenbuch erschien.

Kant: Showdown im Playtime

Hezekiel Kant, Privatdetektiv, hat einen chinesischen Freund: Jimmy Chang. An dem muss auch Dr. Eduard Kopmann erst einmal vorbeikommen, bevor Kant seinen Auftrag annimmt. Es geht um seine Tochter. Tutti Kopmann. Und seine Frau. Lisa Kopmann, 41, seit 16 Jahren mit ihm verheiratet und die gemeinsame Tochter, 15. Kopmann Einkäufer für Spumex setzt Kant auf Lisa an. Denn das Vertrauen ist nach 16 Jahren Ehe zerrüttet. Der Kant folgt ihr alsbald ins Playtime und erfährt einiges über die Vergangenheit von Lisa. Bei einer Zigarre und Kaffee. Manchmal auch ein Bier. Oder ein ordentliches Quantum Whisky.

Milieustudien als Metier

Das Milieu in das Fauser seinen Protagonisten schickt dürft ihm selbst auch nicht so unbekannt gewesen sein. Seine Schilderungen des zur Schau gestelltem Pömps sprechen eine deutliche Sprache, wo der allzu früh verstorbene Schriftsteller seine Nächte verbracht hatte, bevor er zu schreiben anfing. Seinen Kant lässt er im Astra wohnen, einer billigen Absteige im Chinesenviertel von München. Für ihn hatte strategisches Denken schon lange das Krafttraining ersetzt. Denn wer im Milieu lebt, schwimmt darin wie ein Fisch im Wasser. Die Forderung nach einem Lösegeld von 500.000 Mark ist aber selbst für Kant etwas zu hoch gegriffen. Denn wie viel müsste der Kopmann dann mit der Spumex schon gemacht haben? Und Sparen gehört ja jetzt nicht unbedingt zum Metier der Kopmanns.

Charakterstudien im Yakuza-Stil

Huren machen für Geld gut, was andere für Liebe schlecht machen.” Ein gewisser Felix Esterhazy spielt aber auch eine wichtige Rolle in diesem Krimi im Münchner Künstler- und Rotlichtmilieu. Denn Max der Galerist verkauft gefälschte Klees und auch unzüchtige Fotos. “Als Lisa Kopmann den Telefonhörer auflegte, war es in dem großen Raum so still, dass Kant den Eiswürfel in seinem Whiskyglas schmelzen hörte.” Und langsam schmilzt auch das Eis in Kants Kopf, denn plötzlich kann er sich über die Clique mit der er es hier zu tun hat, ein Bild machen. Ein dezenter Hinweis auf Fausers Inspiration, den Film Yakuza (1974), befindet sich auch in der Erwähnung Robert Mitchums, denn der Autor liebte das Augenzwinkern nicht nur beim Schreiben. “Im Auge des Tiger ist kein Platz für eine Ameise.

Ein echter Fauser, der seine amerikanischen Vorbilder nicht verhöhnt, sondern offen in seinen Widersprüchen fusioniert. Flott geschrieben und unterhaltsam, zudem voller Inspiration für eigene Geschichten.

Jörg Fauser
Kant. Erzählung
Mit einem Nachwort von Helene Hegemann
2021, Hardcover Leinen, 128 Seiten
ISBN: 978-3-257-07169-6
diogenes Verlag
€ (D) 20.00 / sFr 27.00* / € (A) 20.60


Genre: Crime noir, Erzählung, Hard-boiled Krimi, Krimi, Noir
Illustrated by Diogenes Zürich

100 Jahre Bukowski: Pulp. Ausgeträumt.

100 Jahre Bukowski: sein letzter Roman

Pulp. Ausgeträumt. Wenn man sich das Personal dieses (letzten) Romans von Charles Bukowski, Pulp, ansieht, denkt man doch, dass es ein trauriges Adieu geworden ist: Lady Death, eine gefährliche Schöne, der lange verstorbene Schriftsteller Louis-Ferdinand Céline, ein Beerdigungsunternehmer namens Grovers und Nick Belane, Privatdetektiv in Los Angeles, der einen VW Käfer fährt und Stammgast in L.A.s Spelunken ist.

Pulp, Bukowskis letzter Roman

Pulp, der erste (und letzte) Krimi aus der Feder Bukowskis, ist stark an Noir Autoren der Blütezeit der Stadt der Engel angelehnt. So erinnert die Suche nach dem „Red Sparrow“ an den „Malteser Falken“, einen Roman von Dashiell Hammett aus dem Jahr 1930. Aber auch der Name des Protagonisten Nick Belane klingt verdächtig nach Mickey Spillane, der 1947 den Großstadtschnüffler Mike Hammer erfunden hatte. „Pulp“ wurde im Todesjahr Bukowskis, 1994, veröffentlicht und kann als selbstironischer Abschied des Dirty Old Man gewertet werden, der Los Angeles, seiner Stadt, damit zusätzlich noch ein Denkmal setzen wollte. Aber Charles Bukowski selbst hatte das Los Angeles der Achtziger und Neunziger Jahre wohl ebenso gut porträtiert, wie die zuvor genannten Autoren jenes der Vierziger. Oder zumindest das Leben in einer der brutalsten Städte der Welt…

Pulp: Hommage an das Schreiben und L.A.

Erst Dante, dann Fante. Bukowskis letzter Roman ist eine Huldigung an seine bewunderten Schriftsteller, aber auch an die Bewohner seines geliebten L.A.: „Sie lassen sich Haut vom Arsch ins Gesicht verpflanzen. Die Haut am Arsch braucht am längsten, bis sie runzelt. Im reiferen Alter laufen sie dann alle mit Arschgesichtern rum.“ Der beißende Humor und die markigen Sprüche Bukowskis waren schon Zeit seines Lebens Legende und besonders bei den sog. Dichterlesungen strömten die Massen, die das enfant terrible so fürchtete, herbei. „Früher war das Leben der Autoren interessanter als ihre Bücher“, schreibt Buk an einer Stelle seines Krimis, „Heutzutage ist beides uninteressant“. Das trifft beides auf Bukowski definitiv nicht zu. Seine Hommage an das Noir Genre, „Pulp“, ist ein liebevoller Abschied voll treffender Ironie und Hingabe an ein Leben als Schriftsteller in der wohl gefährlichsten Stadt der Welt. Weitere Mitwirkende: Jeannie Nitro, die bezaubernde Außerirdische, Barton, Jack Bass, Spike Jenkins, Planet Zoros, drei Flaschen chinesisches Bier, Dante und Fante.

 

Charles Bukowski

Pulp. Ausgeträumt. Roman

Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch von Carl Weissner

2020, KiWi-Taschenbuch, 192 Seiten

ISBN: 978-3-462-04313-6

Kiepenheuer & Witsch

 


Genre: Crime noir, Krimi, Roman

Der große Schlaf

„Der große Schlaf“ habe ich mir ausgesucht, weil ich bislang noch nichts von Raymond Chandler gelesen hatte und es ein Klassiker der Literaturgeschichte des 20. Jahrhunderts ist. Das Buch wurde 1939 vom Autor mit dem Originaltitel „The big Sleep“ veröffentlicht. 1950 wurde der Roman in Deutschland, Österreich und der Schweiz unter dem Namen „Der tiefe Schlaf“ herausgegeben.

Der Krimi spielt Ende der 30er Jahre in Los Angeles. General Sternwood bestellt den Privatdetektiv Philipp Marlowe zu sich nach Hause. Schon in diesem ersten Kapitel erfahren wir zusammen mit Marlowe, dass der General alt, sehr krank und äußerst wohlhabend ist. Die zwei Töchter Carmen und Vivienne machen durch ihren unseriösen Lebenswandel die Familie immer wieder angreifbar.

Marlowe bekommt den Auftrag, herauszufinden, wer hinter der Erpressung der jüngeren Tochter Carmen, steckt. Und damit beginnt ein komplexes Durcheinander von Motiven, Verdächtigen und Geheimnissen. Das ist nicht die erste Erpressung im Hause Sternwood. Marlowe erkennt schnell, dass keiner der Beteiligten, auch sein Auftraggeber nicht , mit offenen Karten spielt.

Die ältere Tochter Vivienne will von Marlowe Informationen über seinen Auftrag. Sie hofft, dass er nach ihrem verschollenen Mann Rusty suchen soll.

Als Marlowe dem Erpresser Geiger auf den Zahn fühlen möchte, ist dieser nicht in seiner Buchhandlung anzutreffen.

Marlowe findet eine Leiche, die aber kurz darauf wieder verschwindet. Und plötzlich entwickelt sich aus einer Erpressung, eine weitere Erpressung und es wird ein komplexer Kriminalfall mit Toten.

Mehr von der Handlung möchte ich nicht preisgeben, weil genau das beim Lesen Spaß macht: die Verwicklungen zu entwirren, oder von den Verwicklungen verwirrt, nach weiteren Hinweisen zu suchen.

Worum geht es?

Es geht um die amerikanische Gesellschaft dieser Zeit. Es geht um Prüderie. Es geht um eine Welt, die mehr Schein als Sein ist. Glücksspiel!! Es ist die Welt nach der Prohibition, die als „Noble Experiment“ von 1920 – 1933, letztlich nichts änderte. Es geht um ein Frauenbild, das den Leser in der heutigen Zeit mit einem Auge weinen und mit dem anderen Auge herzhaft lachen lässt.

Raymond Chandler hat diesen Roman, wie eine Schnitzeljagd mit einigen Sackgassen und Umleitungen, inszeniert. Nichts ist so, wie es zuerst scheint. Auch Carmen scheint auf irgendeine Art und Weise in den Fall verwickelt zu sein. Und wie sieht es mit Vivienne aus?

Die Kapitel sind nicht zu lang und die Spannung bleibt, auch durch das ständige Entschlüsseln eines Hinweises und zeitgleichen Findens einer neuen Spur, hoch!

Die Sprache ist einfach und gut zu lesen. Diese Kriminalgeschichte lebt nicht von der Handlung, sondern von der Atmosphäre des Crime Noirs.

Was macht diesen Roman zu einem Klassiker?

Dieser Kriminalroman wurde aus zuvor veröffentlichten Kurzgeschichten, „Killer in the Rain“ (erschienen 1935) und „The Curtain“ (veröffentlicht 1936), kombiniert und neu zusammengebaut.

Auch der Privatdetektiv Philipp Marlowe wurde übernommen. Dieser Ermittler ist fernab von den bis dahin erfolgreichen Detektiven, wie Sherlock Holmes. Miss Marple oder Hercule Poirot. Philipp Marlowe ermittelt in einem Los Angeles, das korrupt ist, in dem das Gesetz der Straße gilt und die Grenzen zwischen Gut und Böse nicht mehr eindeutig sind. Es ist auch die Welt des Glückspiels und des Scheins.

Der Detektiv ist desillusioniert. Er betracht das Geschehen zynisch aus einer unbeteiligten Position. Er lebt nach eigenen Gesetzen, die er konsequent einhält. Sein Verhalten gegenüber Frauen ist rücksichtslos, Er schlägt auch mal zu.

„Das blechern Glucksen kam immer noch aus ihr heraus. Ich ohrfeigte sie. Sie blinzelte und hörte auf zu glucksen. Ich ohrfeigte sie nochmal.“ S.49

Marlowe benutzt seine Schusswaffe. Er raucht und trinkt. Er ist weiblichen Reizen gegenüber immun, außer er will es zulassen.

Seine Wortwahl und Ausdrucksweise würde man heute mit dem Zusatz NO GO! Kennzeichen.

„Wer war das?“ „Miss Carmen Sternwood, Sir.“ „Sie sollten sie abstillen. Kommt mir alt genug vor.“

Das Hörbuch

Mein Hörbuch „Der große Schlaf“, in der Fassung vom 11.09.2009 wird von Christian Brückner gesprochen und wurde von Gunar Ortlepp aus dem Amerikanischen übersetzt. Diese Übersetzung wirkt auf mich schärfer, bissiger und politisch weniger korrekt.

Christian Brückner ist ein phantastischer Sprecher. Er lässt Philipp Marlowe genauso so arrogant, zynisch und abgebrüht auftreten, wie man es sich vorstellt.

Von der neuen Übersetzung gibt es bislang kein Hörbuch.

Zur Übersetzung von Frank Heibert

Wenn es möglich ist, lese ich das Buch und lasse es mir gleichzeitig vorlesen. Ich habe immer das Gefühl, dass mir das Innere des Buches dadurch mehr preisgibt. Diesmal fand ich es besonders interessant, weil ich zwei unterschiedliche Übersetzungen hatte und ich manche Passagen dadurch mehrfach las oder hörte.

Die neue Übersetzung von Frank Heibert empfand ich, wie man so schön sagt, politisch korrekter. Mein Englisch ist nicht gut genug, um zu beurteilen, ob sie näher beim Original oder entfernter vom Original ist.

Filmische Adaptionen

Der Roman, der in Los Angeles spielt, wurde zwei Mal verfilmt; 1946 hatte Humphrey Bogart die Rolle Philipp Marlowes und 1978 mit Robert Mitchum.

Meine Antwort: Dieses Buch ist ein Klassiker, weil

Dieses Buch ist ein Klassiker, weil Philipp Marlowe der Prototyp eines „Hard-boiled“ Ermittlers ist. Lediglich Sam Spade aus dem „Malteser Falken“ von Dashiell Hammitt ist ihm ebenbürtig. Bemerkenswert ist noch, dass in den filmischen Adaptionen beider Filme die Rolle des Ermittlers von Humphrey Bogart gespielt wurde.

Mit dieser Interpretation des Kriminalgenres setzte er neue Maßstäbe. Das waren keine Fälle, die durch Nachdenken und geistreiche Puzzeleien gelöst wurden. Diese Fälle wurden mit Waffen, Fäusten geradezu martialisch gelöst.

Es ist Crime Noir, in dem Frauen mehr als Zierde dienen. Die Morde geschehen nicht in britischen Herrenhäuser oder Gütern, sondern in der Großstadt, zwischen Glücksspiel und Buchläden. Erst im Laufe der Geschichte enthüllt sich Gut und Böse mit allen Variationen – 50 Shades of Grey.

Ich stellte mir beim Lesen und vor allem beim Hören die Frage, ist das Buch heute noch aktuell?

Ja! ich glaube schon. Wenn wir von der Grundstruktur ausgehen, ist es immer noch aktuell. Die individuellen Inhalte, z. B. wofür man erpressbar ist, müssten ausgetauscht werden.

Spannung und Humor dieses Romanes sind zeitlos.

Die Entrüstung über dieses chauvinistische und machohafte Verhalten Philipp Marlowes ist bis heute sicherlich gewachsen. Dennoch sollte man den Krimi mit den Augen der Zeit, in welcher er spielt, sehen.

Ich habe mir „Der große Schlaf“ ausgesucht, weil ich bislang noch nichts von Raymond Chandler gelesen hatte und es auf meiner Unbedingt-Lesen-Liste steht. Allerdings sind Chandler und ich keine Freunde geworden, auch wenn er handwerklich sehr gut ist. Ich mag sein Frauenbild überhaupt nicht und das ging mir alles ein wenig zu durcheinander. Ich mag es doch strukturierter.

Aber, wie ich immer sage, das ist eine ganz persönliche Angelegenheit! Lest selbst und schreibt eure Meinung!

Wer mehr Informationen über Raymond Chandler möchte, dem empfehle ich folgenden Link von Zauberspiegel


Genre: Crime noir, Hard-boiled Krimi, Krimi
Illustrated by Diogenes