Irgendwann wird es gut

Joey Goebel präsentiert in »Irgendwann wird es gut« zehn Menschen aus der Kleinstadt Moberly, Madison County, die allesamt nicht auf der Sonnenseite des Lebens leben. Sie eint das dumpfe Gefühl, dass sich ihr Leben anderswo abspielt, vielleicht dort, wo die zahllosen Flugzeuge landen, die über den Fly-over-State Kentucky hinwegdüsen.

Joey Goebel ist einer der Hoffnungsträger unter den jüngeren amerikanischen Autoren. Er kennt Kentucky wie seine Westentasche, er wuchs dort auf und hat es trotzdem nie geschafft, auszubrechen. Nach seinem mitreißenden Erstling »Vincent« und dem collageartigen Kurzroman »Freaks« gilt er als Erfolg versprechender Autor der Popmoderne. Sein Thema ist die fade Mittelmäßigkeit des Kleinstadtlebens.

Der rote Faden im Leben der vorgestellten Personen ist ihre Einsamkeit, besser gesagt, ihre nahezu vollständige Isolation. Sie sind weitgehend abgeschnitten von ihren Mitmenschen, vegetieren in einer Blase, deren Wände undurchdringlich zu sein scheinen. Dennoch versucht jeder der Charaktere nahezu verzweifelt, die Wand zu zertrümmern, um wenigstens einen kleinen Teil vom Glück, das er auf der anderen Seite vermutet, zu ergattern.

Einer der Hauptdarsteller, der 25-jährige Anthony Dent, hat mit Frauen bislang kein Glück gehabt. Alle haben den Stotterer abgewiesen und ihn sogar gedemütigt. Der junge Mann glaubt dennoch fest daran, eines Tages der Person zu begegnen, die er mit seiner aufgestauten Liebe überschütten kann.

Olivia Abbott, der er jeden Abend kurz vor sechs auf einen Bourbon begegnet, ist das große Ziel seiner Hoffnungen und Begierden. Die Nachrichtensprecherin auf Kanal Sieben ist seine heimliche Göttin, die perfekte Frau, die seinen jahrelangen Kummer wettmachen würde. Abend für Abend sitzt Anthony vor dem Bildschirm und unterhält sich mit ihr anhand eines vorher ausgearbeiteten Stichwortzettels. Aus einem Anzeigenblatt weiß er, dass seine Traumfrau am Wochenende zur Entspannung Karaoke-Bars aufsucht, um zu singen, und schon lauert er auf dem Parkplatz des Fernsehsenders, um seiner heiß geliebten Olivia zu folgen.

Anthony hat die Rechnung allerdings ohne Carlisle gemacht. Der hat den jungen Mann aus einem Versteck heraus auf dem Parkplatz beobachtet und macht lautstark ältere Rechte an Olivia geltend. Er sei ihr schon viel länger auf den Fersen, kenne alle ihre privaten Geheimnisse bis hin zur Telefonnummer und stehe unmittelbar davor, sich ihr zu offenbaren. Nachdem sie den Wettstreit um die Ansagerin mit Fäusten austragen, landen die Herren schließlich in Anthonys Wohnung. Bald sind sie ein Gespann, das sich täglich nach Feierabend trifft, um Olivias Fernsehauftritte zu verfolgen und sich über sie auszutauschen. Dabei ist Carlisle der geile Bock, der schon kommt, wenn er nur ihre Stimme hört. Anthony hingegen ist der heimliche Verehrer, dem es in seiner Schüchternheit genügen würde, wenn er sie nur bei der Auswahl ihrer Kleidung beobachten dürfte.

Schließlich erklärt Carlisle, Anthony den Vortritt überlassen zu wollen, da er noch weitere Damen stalkt. Sie besuchen eine Karaoke-Bar, in der Olivia tatsächlich singt, und das schier Unglaubliche geschieht: Anthony kommt mit der jungen Frau ins Gespräch, sie findet ihn offenkundig sympathisch und gibt ihm ihre Telefonnummer. Der einsame Verehrer wähnt sich schon im siebten Himmel, doch er hat in seiner Naivität den negativen Einfluss von Carlisle unterschätzt …

Foto: © Regine Mosimann / Diogenes Verlag

Joey Goebel versteht es, Charaktere zu schildern, die in ihrer kleinen Welt gefangen sind und dennoch in voller Überzeugung glauben, dass irgendwann alles gut wird. Goebels in sich geschlossene Kurzgeschichten werden von der unsichtbaren Klammer Einsamkeit und dem ständigen Versuch, diese aufzubrechen, gehalten. Sie lesen sich in Abfolge fast wie ein Roman.

Der Autor verzichtet dabei auf jeden aufgesetzten literarischen Anspruch und verwirrende Schnörkel, um seine Short Stories aufzuwerten. Dekoration, Kitsch und Rätsel hat Joey Goebel nicht nötig, er kann erzählen und liefert literarische Delikatessen, die Freunden der kurzen Form das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen.


Genre: Kurzgeschichten und Erzählungen, Short Stories
Illustrated by Diogenes

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