Nibelungenmord

Eine Drachenhöhle im Siebengebirge ist nicht nur einer der Schauplätze der berühmt-berüchtigten Nibelungensage sondern auch der Ort, an dem eine Frau ermordet aufgefunden wird. Kommissar Seidel und sein Team nehmen die Ermittlungen auf, die schnell in eine bestimmte Richtung deuten: Die Gattin des Notars und notorischen Frauenhelds Sippmeyer nämlich ist spurlos verschwunden, und das just an ihrem 40. Geburtstag mit einem Haus voll wartender Gäste. Passend dazu ist im ganzen Ort bekannt, dass der Rechtsgelehrte über eine Geliebte verfügt, die düstere Bilder mit Nibelungen-Themen malt. Aber wieder einmal sind die Dinge nicht so, wie sie scheinen, denn die Tote entpuppt sich als vergleichsweise schnöde Lehrerin und die Kriminalisten stehen erneut am Anfang. Doch zum Glück gibt es ja noch die greise Kommissaren-Großmutter, die auf eigene Faust versucht, dem Enkel zu helfen…

Das Romandebüt der Germanistin Judith Merchant ist keiner der typischen Regio-Krimis, die seit einiger Zeit inflationär auf den Markt drängen und sich wie geschnitten Brot verkaufen. Zwar beeindruckt die Autorin durchaus mit malerischen Landschaften rund um den Ort Königswinter und verknüpft auch den Plot immer wieder geschickt mit Elementen aus der Nibelungensage, aber ihren Figuren fehlt der typische Lokalkolorit; sie könnten genauso gut in jeder anderen Provinz eingesetzt werden. Diese Wertung ist wohlgemerkt nicht negativ gemeint, man muss ja nicht auf jeder Welle mitreiten.

Als äußerst positiv kann vermerkt werden, dass die Polizisten-Oma nicht als betagtes Supergirl daherkommt, sondern mit den Tücken des Alters mindestens ebenso zu kämpfen hat wie mit ihren Ermittlungen. Die Sprache ist wie zu erwarten erfreulich geschliffen und souverän, auch wenn der Handlung ein bisschen mehr Stringenz gut getan hätte. „Nibelungenmord“ ist insofern ein ungewöhnlicher Krimi, als etliche genre-üblichen Zutaten wie die Details der Polizeiarbeit im Hintergrund stehen. Stattdessen bindet die Autorin ihren Protagonisten ausnahmslos emotionale Mühlsteine um den Hals, so dass es beinahe an ein Wunder grenzt, dass sie sich auch noch mit anderen Dingen als sich selbst beschäftigen können. Das birgt durchaus seinen Reiz aber eben auch die Gefahr, dass künftige Bücher von Frau Merchant auf den Kaufhaus-Wühltischen unter dem Etikett „Frauenliteratur“ verhökert werden und das wäre schade.

Die junge Autorin besitzt durchaus Potenzial, wie die im Buch enthaltene preisgekrönte und wirklich exzellente Kurzgeschichte „Monopoly“ beweist und das dort ebenfalls abgedruckte Interview macht sie richtig sympathisch. Bleibt zu hoffen, dass sie in den angekündigten folgenden Romanen einige Schwächen abstellen kann.


Genre: Kriminalromane
Illustrated by Knaur München

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