Die Erbseninseln

Erbseninseln, Doris Brockmann Da sind wir. Plötzlich und unerwartet mitten im Herbst. Grau ist es, trübe. Ewig scheint es her, dass wir das Licht des Nordens sahen. Da liegt doch nichts näher, als eine Passage oder zehn zu buchen, die uns zurück entführen in den nordischen Sommer. Genauer gesagt zu den Erbseninseln, gelegen mittenmang in der dänischen Ostsee. 9 Erbsen blieben einst bei einem göttlichen Mahl über und wurden vom gut gesättigten Schöpfer ins Meer geschüttet. Glücklicherweise sind sie nicht untergegangen und sind bis heute nicht nur ein beliebtes Ausflugsziel für glückliche Dänemark-Urlauber, sondern auch phantasieanregende Kost für Autoren und ihre Leser.

Die Autorin Doris Brockmann nimmt uns mit auf diese Reise. Raus aus dem grauen Alltag, glücklicherweise auch raus aus dem grauen Reiseführer-Einheitsbrei. Qua Ferndiagnose, gewickelt mit einer guten Portion Seemannsgarn, aber mit gesundem Respekt vor den Fakten gestaltet sie zehn Passagen. Mal als Münchhausiade, mal als Reportage, auch vor Kriminalgeschichten und exclusiver Hofberichterstattung (Höhö, Frau Königin) schreckt sie nicht zurück.

Das dänische Archipel Ertholmene liegt weit im Osten, näher an Stettin als an Kopenhagen. Die Inseln verfügen nicht nur über ein mediterranes Klima, welches Feigen, Weintrauben und sehr entspannte Insulaner hervorbringt, sondern auch über Geschichte, Kultur, Flora und Fauna satt, das spektakuläre Dreiseiten-Fußballspiel nicht zu vergessen. Die beiden größten Inseln Christiansø und Frederiksø sind durch eine äußerst fragile Brücke verbunden, die maximal 10 Leute gleichzeitig betreten dürfen. Stabiler sind da schon die Strecken, die Doris Brockmann ihren Passagieren bietet. Charmant, mit einem kleinen, feinen Lächeln im Augenwinkel, dabei der feinen Ironie nicht abgeneigt, meistert Doris Brockmann die Passagen über die Erbseninseln.

Sorgfältig recherchiert, sich nicht in den Fallstricken gelegentlichen Seemannsgarns verheddernd, verleiht sie dem Inselalltag einen poetischen Zauber und nimmt uns mit auf den Weg von den Festungsmauern bis zum Ende der Welt, welches auf den Ertholmene zum Glück nur ein kleiner begehbarer Aussichtspunkt ist. Wenn man nicht wüsste, dass es die Erbseninseln tatsächlich gibt, könnte man sich in einem modernen Märchen wähnen.

Dieses Buch ist eine kleine Kostbarkeit, nicht nur wegen der zauberhaften Texte, sondern auch wegen seiner kunstvollen Gestaltung. Kostbar gewandet und banderoliert, wunderbar illustriert durch Wolfgang Gosch präsentiert die kleine Wiener Edition Krill die Passagen, denen jeweils eine Einleitung in Form eines erklärenden Dialogs zwischen einem (fiktiven) Redakteur und einer (weniger fiktiven) Kolumnistin vorangestellt ist. Und nach den Anstrengungen absolvierter Passagen mag sich der ein oder andere geneigte Leser sicher gerne mit einer kräftigen Portion Ærtesuppe, rezeptiert im Buch, stärken.

Fazit: Sehr geehrte Frau Brockmann, Sie haben mir auf’s Feinste über erste trübe Herbsttage hinweg geholfen. Ich verleihe Ihnen hiermit den Titel einer Prinzessin auf der Erbse(ninsel) und widerspreche vehement all jenen, die je gewagt haben sollten, Sie als Erbsenzählerin zu bezeichnen.

Die studierte Germanistin Doris Brockmann lebt in Dorsten, eine kleinen Stadt an der Grenze zwischen Ruhrgebiet und Westfalen, der nicht nur für ihre Sterneköche, sondern auch für ihre phantasiebegabten Schriftstellerinnen weltweit Aufmerksamkeit zuteil wurde. Doris Brockmann schreibt vorzugsweise in Form angewandter Schriftstellerei im Dienste der Alltagsbeobachtung, wovon man sich auf Ihrer Homepage walk-the-lines auf’s Trefflichste überzeugen kann. Ihr Debüt “Das Schreiben dieses Romans war insofern ein Glücksfall” ist als Kindle-E-Book verfügbar, wurde von der Literaturkritik gewürdigt und hat leider (noch) nicht die Aufmerksamkeit, die auch dieses Werk zweifelsohne verdient.

Diskussion dieser Rezension gerne im Blog der Literaturzeitschrift


Genre: Reisen
Illustrated by Edition Krill Wien

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