Spanische Delikatessen

Eva Siegmund liebt Barcelona. Unter dem geschickt gewählten Pseudonym Catalina Ferrera führt sie den Leser zu einigen ihrer Lieblingsplätze, informiert über kulturelle und soziale Hintergründe und vermittelt den Reiz der malerischen Stadt am Mittelmeer.


Ihre individuelle Stadtführungen kleidet sie in eine Kriminalgeschichte, in der ein Schinken die Hauptrolle spielt. Denn dieser stammt anders als üblich nicht von einem wohl genährten iberischen Schwein, sondern von einem genetischen Artverwandten: Es handelt sich um gepökeltes Menschenfleisch, das eines schönen Tages in einem Delikatessengeschäft von der Decke baumelt und naturgemäß polizeiliche Ermittlungen auslöst.

Ferreras Ermittlerduo wird aus Alex Dias, dem frisch gebackenen Chef der Mordkommission, und seinem Schwager, dem bei seiner Frau in Barcelona lebenden Berliner Kripomann Karl Lindberg gebildet. Die beiden können als Bilderbuchklischee durchgehen: Alex, der unerfahrene, mehr an Frauen und schönen Dingen interessierte Katalane hat seine Position seinem Wissen über bizarre Leidenschaften des Polizeichefs zu verdanken. Er wird von seinen Kollegen verachtet, hat kaum Ahnung von Ermittlungsarbeit, aber bedient sich der Hilfe seines Schwagers Karl.

Lindberg ist ein Kriminalist mit deutscher Gündlichkeit, dessen Erfahrung und Besonnenheit die spanischen Behörden blass aussehen lässt. Dabei wird kaum ein gutes Haar an der katalanischen Kripo gelassen, die sich als bestechliche, gewalttätige und an der Wahrheitsfindung desinteressierte Truppe präsentiert, deren drakonische Chefin Fälle möglichst schnell ad acta legen möchte. Wie gut, dass da teutonische Akkuratesse greift und den wahren Täter ausmacht.

Catalina Ferrera präsentiert mit ihrem Erstling einen Stadtführer der etwas anderen Art. Ob der Roman ein Krimi ist, sei indes dahingestellt. Gut, es gibt einen Kriminalfall sowie ein Ermittlerduo, das gewiss auch bei weiteren künftigen Fällen aufschlägt, aber es fehlt der Spannungsbogen. Es gibt weder An- noch Entspannung und der einzige Augenblick, wo der gute Cop in Gefahr ist und niedergestreckt am Boden liegt, wird mit ein paar Zeilen verschenkt.

So bleibt das Buch ein gut lesbares Barcelona-Vademecum, auf dessen Spuren es sich zu wandeln lohnt, wenn man von der allgegenwärtigen Gaudi-Architektur satt ist. Abgesehen von Kleinigkeiten (auf Seite 173 verteilt Alex seine Telefonnummer, obwohl er kurz zuvor sein Handy verloren hat – erst 20 Seiten später hat er dann ein Ersatzhandy besorgt) ist der Text sauber lektoriert. In qualitativer Hinsicht kann er mit dem Mittelmaß, das derzeit im Selfpublishing geboten wird, gut mithalten mit dem feinen Unterschied, dass er durch Vermittlung einer Literaturagentur im Großverlag Droemer Knaur  erschien und damit bessere Ausgangschancen genießt.

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Genre: Reiseführer
Illustrated by Droemer Knaur München

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