Über die Lehren des Todes – die 5 Einladungen

Auch auf die Gefahr hin, pathetisch zu klingen, möchte ich bei den „Fünf Einladungen“ Frank Ostaseskis von einem heiligen Buch sprechen. Wie weit er selbst als jahrelang praktizierender Buddhist in seiner spirituellen Entwicklung gelangt ist, mag ich nicht beurteilen wollen. Dieses monumentale Werk, das nun als Dokument der Hospiz Arbeit in den USA vorliegt jedenfalls ist ein außergewöhnlich schönes und wertvolles. Ostaseski war 1987 Mitbegründer des ersten Zen-Hospizes in den USA; 2oo4 gründete er das Metta Institute, das sich zur Aufgabe machte, die (buddhistischen) Prinzipen Achtsamkeit und Mitgefühl in der Pflege zu verankern.
Bei der Begleitung der Sterbenden spielt der Buddhismus als System, als Ideologie keine Schlüsselrolle – das zeichnet die hochprofessionelle Arbeitsweise im Hospiz aus. Achtsamkeit, die Stille und einfühlende Art heißen die (buddhistischen) menschlichen Qualitäten, mit denen Sterbende begleitet werden.
„Kein Lebender versteht den Tod wirklich“, meint Ostaseski gleich anfangs. Und lässt uns wissen: „Ich bin kein Romantiker, was das Sterben angeht. Es ist harte Arbeit, vielleicht die härteste, die wir in unserem Leben je tun werden. Es gerät nicht immer gut. Es kann traurig, unbarmherzig, chaotisch, schön und mysteriös sein. Doch vor allem ist es normal. Wir alle gehen da durch. Keiner von uns kommt lebendig von hier fort.“ So klare Worte zum noch immer tabuisierten Thema lassen aufhorchen. In den USA konstatiert der Autor eine Normalisierung des Verhältnisses zum Tod, was speziell zunehmenden Bewusstseins- und Achtsamkeitsbewegungen geschuldet sei. Für Europa ist das Buch beispiellos, finde ich, die Klarheit und Ehrlichkeit mit welcher der Prozess des Strebens geschildert wird ist einmalig. Wir treffen auf bekannte spirituelle Begriffe wie Loslassen, Vergebung, Nicht-Wissen, Präsenz, Achtsamkeit, Liebe. Zu allen erzählt Ostaseski eine Geschichte von Klienten, die Im Hospiz verstarben. Diese Geschichten sind zutiefst berührend bis erschütternd.
Welch zentralen Beitrag zum Leben Hospizarbeit voll liebevoller Begleitung leistet, ist einem nach der Lektüre dieses Kompendiums des Sterbens klar. Geballt erfahren wir von Bewusstwerdungsarbeit, die das Sterben erleichtert, wobei bedauernd aber nicht vorwurfsvoll angemerkt wird, wie traurig es sei, dass diese nicht vorher das Leben bereichert hatte. Der Tod stellt eben eine Zäsur dar, die an die essentiellen Dinge gemahnt, und selbst wenn befreiende Einsichten spät gelingen, das Sterben jedenfalls gelingt dann leichter. „Vergebung“ ist ein wesentlicher Faktor dabei; unmissverständlich macht Ostaseski klar, dass Vergebung dem Vergebenden am allermeisten hilft, da er bereit ist, Bitterkeit und Wut und Härte loszulassen. Vergeben heißt nicht vergessen. Doch führt zum Wiedererlangen inneren Friedens.
Das Buch ist nicht immer leicht zu lesen. Wie keines, dass den Tod, das Sterben zum Thema hat. Der gewiefte Autor lässt uns durchatmen, indem er diversen (Sterbe- bzw. Einsichts-)Erfahrungen buddhistische und generell spirituelle Weisheiten hinbeifügt. Er verweist auf sumerische, jüdische, christliche Bezüge – sicher eine Stärke seines universellen Geistes. Deutlich wird, dass religiöse Modelle nicht das wichtigste sind. Achtsamkeit, Einfühlung, oftmals das stille Begleiten des Sterbenden sind wertvoller als zu viele Worte. Die richtet Ostaseski an uns Lebende, damit wir gnadenvollerweise rechtzeitig aus den Erfahrungen der Sterbenden lernen. Hoffentlich haben wir ein ausrechend offenes Ohr und ein weites Herz genau hinzuhören. Die Heiligkeit, an die das Streben grenzt, scheint von Seite zu Seite entrückender durch das Buch. Der Sterbende begibt sich in diesen Raum – eine Gnade, wenn das in Ruhe und Frieden geschieht. Oftmals ist die Heiligkeit des Todes stark genug, den Frieden herzustellen. Dann spüren wir, sehen wir vielleicht die Brücke hinüber in ein anderes Land. Ostaseskis „fünf Einladungen“ sind jedenfalls selbst eine solche heilige Brücke. Deshalb ist es für mich ein heiliges Buch.


Genre: Ratgeber
Illustrated by Knaur München

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