Die Zärtlichkeit des Geldes

Kann Geld zärtlich sein? Kann Geld zärtlich machen? Hinter dem philosophisch anspruchsvoll anmutenden Titel und einem toll gemachten Cover verbirgt sich ein leicht lesbarer Roman um Liebe, Geld und Leidenschaft.

Der Schauspieler Rante Kleinknecht sucht eine Rolle, da seine Kasse leer ist. Zwar hat der naive junge Mann Glück in der Liebe, so stolpert Mannequin Anima Frank zwischen Theke und Toilette einer Bar in seine Arme. Aber in beruflicher Hinsicht wartet er noch auf den Traumjob, der ihm den Weg in den Bühnenhimmel ebnet.

Da wird ihm über einen Freund ein gut bezahltes Angebot gemacht: Er soll für einen dänischen Pornoverlag Magazine durch den Zoll in verschiedene Länder schleusen, Bücher übersetzen und Filme begleiten. Das Geld scheint leicht verdient, allerdings wird er gleich beim ersten Auftrag erwischt. Die Gattin des dänischen Verlegers hat indes längst ein Auge auf ihn geworfen und befördert den jungen Mann zu ihrem persönlichen Assistenten.

Zeitgleich erhält Rante ein Angebot für eine Hauptrolle in einem Film, den ein schwuler Regisseur dreht. Auch der hat an dem Mann Gefallen gefunden, jedenfalls verliebt er sich in ihn und fördert ihn, bis er erfährt, dass sein Hauptdarsteller auf Frauen steht.

Es entspinnt sich eine turbulente Dreiecksgeschichte. Der Naivling lässt sich von seiner Chefin verführen, fällt auf die Annäherungsversuche einer eigens bezahlten Schönheit herein und schwört seiner Anima gleichzeitig ewige Treue. Dabei hat er die Leidenschaft der Verlegerin unterschätzt, der es leicht fällt, ihn von seiner Traumfrau zu trennen.

Das wiederum erbost Rante, der Dame und Job aufkündigt und sich in erneute Armut stürzt. Doch der Ruf des Geldes treibt ihn in die Arme einer potthässlichen Studentin, die als einzige Tochter eines steinreichen Bauunternehmers hinreichend qualifiziert scheint, seine wirtschaftliche Zukunft zu sichern. Irgendwer ist also immer da, wenn es um sein Überleben geht, und Skrupel sind dem gescheiterten Schauspieler weitgehend fremd. Überhaupt macht er jäh eine vollständige Verwandlung durch, bald interessiert ihn nur noch Gelderwerb, und er nutzt Frauen dabei schamlos aus.

Rante heiratet des lieben Geldes wegen Baunternehmers Töchterlein, bekommt von ihr ein Kind, unterhält parallel eine Liason mit der Chefsekretärin und baut im Rücken seines Schwiegervaters ein eigenes Unternehmen auf. Dass dies alles irgendwann nicht mehr funktionieren kann, liegt auf der Hand. Der Leser wartet bald nur noch darauf, welchen Fehler der Frauenheld als nächsten begeht und wie er seinen Kopf aus den vielen selbst gelegten Schlingen zieht. Ob alles im Fiasko endet oder zum Happyend führt, darf der Leser selbst herausfinden und bewerten. Erstaunlich ist jedenfalls die Leidensfähigkeit der von Gardner geschilderten Damen wie ihr enormes Verständnis für Herrn Kleinkecht.

Gardners Roman spielt (warum eigentlich?) in den Jahren 1968-70. Der Autor wählte die Perspektive des Ich-Erzählers um das emotionale Erzählen in Lesernähe zu betonen. Allerdings erscheinen die Figuren eigenartig farblos, und der stark dialogorientierte Erzählstil gestaltet die Denk- und Handlungsweisen des Protagonisten nur streckenweise nachvollziehbar. Insbesondere der starke Bruch Rantes, anfänglich der großen Liebe zu vertrauen und ihr eine gewisse Treue zu erklären, um dann zu einem Frauenhasser zu werden, der das andere Geschlecht lediglich benutzt, kommt unvermittelt und wird lediglich intellektuell aus der Handlung nachvollziehbar.

Wie steht es nun mit der im Titel behaupteten Zärtlichkeit des Geldes? – Gardners Roman spielt in vermögenden Schichten, in die sich sein Hauptdarsteller hinauf»arbeitet«. Ob dies mit ausgesuchter Zärtlichkeit geschieht oder ob er vielmehr dem Lockruf des Goldes erliegt, vermag der Leser am Ende des lesenswerten Romans selbst beantworten. Der Autor lässt die Beantwortung der Frage jedenfalls offen.


Genre: Romane
Illustrated by Kindle Edition

Der Allesforscher

Steinfest, Allesforscher Steinfest beginnt seinen genremäßig phantastischen Roman mit einer gewaltigen Explosion: Manager Sixteen Braun beobachtet im südlichen Taiwan, wie ein toter Pottwal auf einem Schwertransporter durch die Straßen gefahren wird. Augenblicke später wird er im Koma liegen, die im Inneren des riesigen Tieres metabolisierenden Gase lassen den Meeresriesen explodieren, Braun wird hart von Innereien getroffen und verliert das Bewusstsein.

Er erwacht in einem Krankenhaus und macht dort – Glück im Unglück – Bekanntschaft mit der sexuell eigenwilligen Ärztin Lana. Der Dame will er treu sein, doch daheim bricht trotz guter Vorsätze das fremd bestimmte Leben über ihn herein. Er heiratet seine von ihm ungeliebte Verlobte, steigt in der Firma des Schwiegerpapas auf und lebt ein frustriertes Dasein. Zwei Jahre darauf wird er davon per Scheidung erlöst, schult vom Manager zum Bademeister um und beginnt, Lana zu suchen. Die ist jedoch zwischenzeitlich überraschend verstorben, und so könnte die Geschichte eigentlich schon zu Ende sein.

Doch da klingelt das Telefon, und mit diesem kleinen Kunstgriff, dessen sich manch ein Autor bedient, der aus der Sackgasse des Handlungsgefüges ausbrechen will, erfährt Sixteen Braun von einem Sohn. Diesen hat er angeblich mit Lana gezeugt, der Waise soll seinem leiblichen Vater zugeführt werden. Nach anfänglichem Sträuben akzeptiert er die Vaterschaft. Die körperliche Zuwendung der Botschaftsangestellten, die ihm das Waisenkind vermittelt, leistet dabei zusätzliche Überzeugungsarbeit. Allerdings wundert sich der frisch gebackene Papa, dass der Knabe ein kleiner Chinese ist, den er mit der Europäerin gezeugt haben soll. Zudem spricht der Knabe eine vollkommen eigene Sprache, die keinem verständlich ist und ist offensichtlich in einer eigenen, geheimnisvollen Welt gefangen und dort zurückgeblieben. Dafür kann er meisterhaft zeichnen und klettert wie eine Bergziege.

Der Leser als Allesforscher

Es soll nun nicht zu viel verraten werden, aber Sixteen begegnet in Träumer seiner Schwester, die beim Bergsteigen tödlich verunfallte und deren Unfallort die frisch verkuppelte dreiköpfige Familie aufsuchen will. Zwischen Wahn und Wirklichkeit, getrieben von Albträumen und Fantasien geht der ehemalige Businessman und jetzige Bademeister nun mitsamt Sohn und Freundin auf die Reise. In den Alpen begegnet er einem Chinesen, der eigentlich mit der Geschichte eng verwoben ist …

Spätestens hier nun ist es am Leser, im Sinne des Buchtitels zum Allesforscher zu werden und die verschiedenen Fäden und Handlungsstränge aufzunehmen und zu verweben. Das wirkt im ersten Augenblick verwirrend surreal, liest sich aber äusserst geschmeidig, denn Steinfest ist ein Autor, der zumindest im Steinbruch der Worte gewandt zu klettern versteht.

Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2014 hätte dieses Werk durchaus verdient, gekrönt zu werden. Doch dazu hätte der 1961 geborene Verfasser seinen Roman wohl auf die Insel Hiddensee statt nach Taiwan verlegen müssen …

Ruprecht Frieling

Diskussion dieser Rezension im Blog der Literaturzeitschrift


Genre: Romane
Illustrated by Piper München, Zürich