Berlin Gothic

Im Prolog seines Berlin-Thrillers setzt Jonas Winner mit drei Blitzlichtaufnahmen auf Horror, Gewalt und Sex: Till Anschütz erwacht in einer Folterkammer und erfährt, umoperiert worden zu sein; Kommissar Konstantin Butz inspiziert den Torso einer Frau, die mit einem Akkubohrer verstümmelt wurde aber noch letzte Lebenszeichen gibt; Fotografin Claire Bentheim lichtet einen blutigen Boxkampf ab und lässt sich danach mit dem Sieger ein.

Während der Autor offen lässt, welchen Torturen Till ausgesetzt ist, inspiziert Kommissar Butz den Fundort der verstümmelten Frau. Er entdeckt einen verborgenen Tunnel in eine unterirdische Welt und wird dabei fast verschüttet. Seine Lebensgefährtin Claire wird derweil von dem liebestollen Boxchampion Frederik bis in ihre Wohnung verfolgt.

Winners eigentliche Geschichte beginnt zwölf Jahre früher: Till flieht aus dem Kinderheim Brakenfelde. Nie wieder will der elternlose Junge dorthin zurück, nachdem sich sein Bruder Armin erhängt hat. Auf seiner Flucht wird er von einem Auto erfasst und begegnet auf diese Weise der Familie Julia und Xaver Bentheim. Deren Kinder Max, Lisa und Claire freunden sich mit dem Flüchtling an und wollen ihm helfen. Sie verstecken ihn im Schuppen des Anwesens ihrer Eltern.

Besonders der strenge Vater, der in einem Gartenhaus Bücher schreibt, reizt die Neugierde Tills. Die Kinder glauben, dass Xaver Bentheim Geschichten schreibt, die nicht nur ausgedacht sind, sondern tatsächlich stattgefunden haben oder sogar immer noch stattfinden. Till belauscht den Schriftsteller nachts bei einer Art Selbstgespräch, in dem dieser einen seltsam-rauschartigen Zustand beschreibt. Doch Bentheim erwischt den heimlichen Zuhörer …

Jonas Winner konstruiert seinen Thriller um Till, Max und Lisa, Xaver und Julia, Butz und Claire in steter Folge von Zeitsprüngen und Rückblenden. Mosaikartig entsteht vor dem geistigen Auge des Lesers das engmaschige Netz einer spannenden Geschichte, zu der ihm Winner scheinbar unabhängig voneinander baumelnde lose Fäden in die Hand gibt. Diverse Cliffhanger und bisweilen bewusst nebulöse Andeutungen dessen, was die Protagonisten erwartet, geben der Geschichte zusätzliche Würze.

„Berlin Gothic“ ist ein düsterer Krimi mit Lokalkolorit, der den Leser rasch in seinen Bann schlägt. Autor Jonas Winner fand für sein Werk, das er für 99 Cent als E-Book in Amazons Kindle-Shop anbietet, in wenigen Monaten zehntausende Leser. Der stürmische Zugriff der Leser katapultierte ihn auf Spitzenplätze in den Amazon-Bestsellercharts. Das Genre des untergegangen geglaubten Groschenromans feierte neue Triumphe.

Seinen Spitzenplatz wird Winner wohl noch eine ganze Weile halten, denn die Sache hat einen raffinierten Haken: Im spannendesten Augenblick bricht „Berlin Gothic“ ab, und es wird der Erwerb eines weiteren Bandes fällig. Der Autor hat seinen Krimi auf sieben Teile geplant, und das Suchtpotential der Serie ist erheblich. Er schreibt die Fortsetzung, während die Leser schon die ersten Teile lesen können und mit seinen Helden fiebern.

Wie in den guten alten Zeiten der Fortsetzungsromane liefert Winner seinen Thriller häppchenweise. Dabei ist bereits der erste Band derart effektvoll geschrieben, dass man unbedingt wissen will, wie es weiter geht und der Reihe atemlos treu bleibt. Den Leser von „Berlin Gothic“ erwartet indes keine ambitionierte Hochliteratur, es geht um spannende Unterhaltung mit kräftigen Knallern. Diese wird sprachlich durch einen aktiven Stakkato-Stil betont, der das Verständnis von „Gestern“ und „Heute“durch den Wechsel zwischen Präteritum und Präsenz unterstreicht.

Der Autor versteht es, das Kopfkino seiner Leser in Gang anzukurbeln und starke Bilder zu erzeugen. Sicherlich wird es deshalb auch dazu kommen, dass „Berlin Gothic“ verfilmt wird. Denn der Autor schrieb bereits Drehbücher für ARD, ZDF, Sat.1 und RTL und verfügt damit über Erfahrungen, die er in seine Schreibe einfließen ließ.

Zuvor jedoch wurde Jonas Winner von einer ganz anderen Seite unerwartete Anerkennung beschieden: Amazon-Chef Jeff Bezos schickte ihm einen Vertrag für die Übernahme der siebenteiligen Reihe ins Englische. Sein Konzern will den Thriller sowohl weltweit als Elektrobuch wie auch als Papierbuch vermarkten. Damit ist Winner der erste sich selbst verlegende deutschsprachige Autor, der über die E-Book-Schiene so bekannt wurde, dass selbst Amis auf ihn aufmerksam wurden. Bislang war der umgekehrte Weg üblich: US-Autoren werden – so sie sich gut verkauften – ins Deutsche übersetzt und den hiesigen Leservasallen vorgesetzt. Deutsche Autoren galten mehrheitlich als nicht weltmarktgängig …

Wer mehr über Jonas Winner erfahren möchte und seine Erfolgsrezeptur kennen lernen will, der liest mein E-Book „Wie man erfolgreich E-Books verkauft. Exklusivinterviews mit Top-Autoren“.


Genre: Thriller
Illustrated by Kindle Edition

Carte Blanche

In Serbien droht nach Zündung eines Sprengsatzes ein Zug mit Giftgas zu entgleisen und so trifft es sich gut, dass James Bond gerade noch rechtzeitig zur Stelle ist, um eine Katastrophe zu verhindern. Der britische Geheimdienst hatte das Fragment einer Nachricht abgefangen, nach der ein Anschlag mit Tausenden von Toten bevorsteht; nähere Umstände allerdings ungewiss. 007 macht sich also auf die Suche und eine Spur führt ihn bald zu dem undurchsichtigen Geschäftsmann Severan Hydt, Spezialist in Sachen Abfallbeseitigung mit morbid nekrophilen Neigungen. Doch damit nicht genug, nebenbei versucht der Super-Spion auch noch, den mysteriösen Tod seiner Eltern aufzuklären…

“Carte Blanche” bietet alles, was man von einem Bond-Roman (oder Film) erwarten darf: Schöne Frauen, exotische Schauplätze, trockene Drinks und ebensolcher Humor, böse Bösewichter, strahlende Helden, technische Wunderwerke und aufregende Verfolgungsjagden mit schnellen Autos. Mit Jeffery Deaver konnte ein erfahrener Genre-Autor gewonnen werden, der sein Handwerk versteht und es als Ehre und Verpflichtung empfindet, die berühmte Reihe fortzuführen, dabei aber auch willkommene neue Akzente setzt. Deaver ist ja berüchtigt dafür, stets mit unerwarteten Wendungen in seinen Geschichten den Leser zu überraschen und spielt diese Karte natürlich auch diesmal aus.

Fazit: Frischer Wind bei einem Klassiker der Agentenliteratur sorgt für spannendes Lesevergnügen auf hohem Niveau!


Genre: Thriller
Illustrated by Simon & Schuster

Die Spieler

dieSpielerAnnabelle Conroy – ebenso schöne wie begabte Trickbetrügerin – hat den ebenso skrupellosen wie mächtigen Kasinobesitzer Jerry Bagger aus Rache für die Ermordung ihrer Mutter um sagenhafte 40 Millionen Dollar erleichtert. Nun ist sie vor dem auf Rache sinnenden Unsympath auf der Flucht. Zum Glück gibt es Oliver Stone und seine bekannten Mitstreiter aus dem Camel Club – immer auf der Suche nach der Wahrheit, gerne aber auch auf Vergeltung und Rache sinnend. Der Camel Club bietet Annabelle Schutz und Unterstützung, doch unversehens wendet sich das Blatt und der Club kann seine Zusage nicht nur nicht einhalten, er braucht seinerseits die Hilfe Annabelles. Stone wird von seiner bis dato streng geheim gehaltenen Vergangenheit eingeholt und muss sich auf einen gnadenlosen Überlebenskampf mit ehemaligen Mitstreitern aus seiner CIA-Zeit einlassen.

So wirklich haben beide Storylines nichts miteinander zu tun, Baldacci gelingt es in seinem Thriller aber gekonnt, diese spannend zu verweben. Die Spieler, nun als Taschenbuch erschienen, sind der dritte Teil der Reihe um den Camel Club. Wie man es von Baldacci erwartet, surren die Verschwörungstheorien dem Leser nur so um dem Kopf, die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen, das Katz-und-Maus Spiel hält die Spannung bis zum furiosen, blutgetränkten Finale.

Gut, stattgegeben – hohe Literatur ist das nicht. Manches zu konstruiert, manches zu zufällig, manch Protagonist zu sehr mit der Schablone gezeichnet, manch zeitliche Abfolge mit Macht so hingebogen, dass es so gerade eben noch in den vorgegebenen Rahmen passt und der Charakter Harry Finn erinnert sicher auch nicht zufällig an Jack Ryan. Aber – mal ehrlich, ein gut gestrickter Thriller zwischendurch muß auch mal sein. (zumal, wenn der Titel so dezent auf einen unser tapferen Mit-Rezensenten verweist ).

David Baldacci ist ein amerikanischer Thriller-Autor und Bestseller Garant. Seine Romane wurden in mehr als 45 Sprachen übersetzt und erreichen weltweit eine Gesamtauflage von über 40 Millionen Exemplaren. Sein erster Roman “Der Präsident” ( Absolute Power ) war ein durchschlagender Erfolg und wurde kurz darauf verfilmt. In den letzten Jahren gab es immer wieder Romane von ihm, die nur bedingt überzeugen konnten. Mit inzwischen drei Romanserien scheint es, als liefe er sich selbst hinterher und nicht wenige seiner Fans bemängelten holzschnittartige Schluddrigkeiten und wenig Spannung. Mit den Spielern kriegt er aber nun wieder die Kurve und liefert solide Kost. Spannend und flüssig, ein Pageturner, dessen Auflösung man entgegenfiebert. Es steht Thriller drauf, es ist Thriller drin. Mehr braucht es eben manchmal nicht.

Diskussion dieser Rezension im Blog der Literaturzeitschrift


Genre: Thriller
Illustrated by Bastei Lübbe

11.22.63

Jake Epping, 35, ist Englischlehrer in Lisbon Falls, einem Nest in Maine und führt ein eher durchschnittliches Leben. Das ändert sich jedoch schlagartig, als ihm sein Kumpel AL Templeton in der Abstellkammer seiner Imbissbude ein Tor in die Vergangenheit zeigt. Die Regeln sind einfach: Bei jedem Eintritt gelangt man zum 9. September 1958 und bei jeder Rückkehr sind in der Gegenwart genau zwei Minuten vergangen. Außerdem wird bei jedem erneuten Durchschreiten ein kompletter Reset gestartet, sämtliche bei vorherigen Besuchen ausgelösten Änderungen sind hinfällig.

Al hatte einen großen Plan: Er wollte in der Vergangenheit bis zum Jahr 1963 ausharren und den Mord an Präsident Kennedy in Dallas zu verhindern, indem er den Attentäter Lee Oswald vorher tötet. Lungenkrebs im Endstadium zwingt ihn jedoch zur vorzeitigen Rückkehr und er bittet Jake, den Job zu übernehmen. Dessen anfängliche Skepsis wird bald von Neugier besiegt und so stürzt er sich in das ungewöhnliche Abenteuer. Vor der Rettung des Präsidenten muss er aber noch einem Freund helfen und eine Familientragödie verhindern; er reist nach Derry (treue King-Leser wissen, was 1958 in Derry geschah). Doch das ist erst der Anfang, auf Jake wartet nicht nur die Liebe seines Lebens, sondern auch eine Vergangenheit, die sich partout nicht ändern lassen will…

Es gibt im Leben Momente, in denen man innehält, weil einem bewusst ist, dass das soeben Geschehene den Lauf der Geschichte nachhaltig verändern wird. Der 11. September war so ein Ereignis, die Ermordung von John F. Kennedy ein anderes. Es gibt darüber unzählige Bücher, Filme und Dokumentationen; Lou Reed hat ein wunderbar anrührendes Lied geschrieben („The day John Kennedy died“), auch Axl Rose sang: „It was my first memory when they shot Kennedy“. Und nun nimmt sich also der erfolgreichste Schriftsteller der Welt des Themas an.

King wählt dabei jedoch einen anderen Ansatz: Er lässt die Verschwörungstheorien (an die er übrigens im Gegensatz zu seiner Frau nicht glaubt) weitgehend außen vor und schickt seinen Ich-Erzähler in die Vergangenheit um diese zu ändern, mit allen (unbekannten) Konsequenzen. Er hält sich dabei eng an die historischen Vorgaben der Personen und Schauplätze im Dunstkreis von Oswald und verleiht dem Roman somit zusätzlich Authentizität. Natürlich ist auch das Leben in dieser Zeit ein weiteres Hauptthema und dieses Leben ist durchaus zwiespältig, denn neben der unbeschwerten Fröhlichkeit kleinstädtischer Tanzveranstaltungen und nachbarschaftlicher Empathie haben ebenso provinzielle Bigotterie und alltäglicher Rassismus ihren festen Platz. Highlights sind die problematischen Situationen, die bei Zeitreisen auftreten können: Wenn der Held beispielsweise nach seinem (nicht vorhandenen) Handy greift oder durch das laute Absingen obszöner Rolling Stones-Verse für Verwirrung sorgt.

Der Erzählstil ist packend, wie meist bei Stephen King, der Leser ist mittendrin im Geschehen und wird trotz einiger Längen im Mittelteil gefesselt von den Ereignissen. Da der Autor auch eine Reise in die eigene Vergangenheit unternimmt, gibt es ein Wiederlesen mit Protagonisten aus „Es“; Nostalgie pur für die Fans. Obwohl das Thema Zeitreisen schon bei „Langoliers“ behandelt wurde, weist der neue Roman eher Parallelen zu „Dead Zone“ auf, nicht nur weil dort ebenso durch ein politisches Attentat die Zukunft geändert werden soll, sondern auch wegen der nicht ganz unbedeutenden Nebenhandlungen. Und klar: Die Polizei von Dallas bekommt ordentlich auf die Mütze, mehr als bei „Tommyknockers“.

Stephen King wollte dieses Buch eigentlich schon 1972 schreiben und es ist gut, dass er gewartet hat, denn das Thema bewegt immer noch viele Menschen und es ist zu bezweifeln, dass er eine derart komplexe Aufarbeitung und Umsetzung schon in jungen Jahren hinbekommen hätte. Heute kann man mit Fug und Recht sagen, dass dem Meister wiederum ein großer Wurf gelungen ist.


Genre: Thriller
Illustrated by Hodder

The Confession

1998 verschwindet in einem Kleinkaff in Texas eine 17-jährige (weiße) Cheerleaderin spurlos. Natürlich ist der Druck auf die örtliche Polizei entsprechend groß und so nimmt es nicht Wunder, dass diese sich nach einem fadenscheinigen anonymen Hinweis auf den (schwarzen) Football-Spieler Donté Drumm stürzt. Mit allerlei faulen Tricks bekommen sie ein Geständnis (Vergewaltigung und Mord), das zwar umgehend widerrufen wird, aber der Grundstein ist gelegt. Der Staatsanwalt zieht den Prozess – auch ohne Leiche – durch und bekommt, unterstützt von der Richterin (die praktischerweise seine Geliebte ist), einen Schuldspruch der (rein weißen) Jury; Donté wandert in die Zelle und wartet auf die Exekution.

Zehn Jahre später wird bei Pfarrer Keith Schroeder in Kansas der Berufskriminelle Travis Boyette vorstellig und gibt nach einigem Hin und Her die Tat zu. Er leidet an einem inoperablen Gehirntumor, möchte die wenige verbleibende Zeit nutzen, um zumindest in dieser Sache reinen Tisch zu machen und ist zu einem Geständnis bereit. Keith packt ihn in seinen Wagen und sie machen sich auf den Weg nach Texas, wo die Hinrichtung trotz des unermüdlichen Einsatzes von Dontés Verteidiger Robbie Flak unmittelbar bevorsteht. Nun beginnt ein Wettlauf nicht nur gegen die Zeit, sondern ebenfalls gegen ein Justizsystem, das buchstäblich über Leichen geht und sich auch von derart banalen Fragen wie Schuld oder Unschuld nicht so einfach aufhalten lässt…

Altmeister Grisham scheint nach einigen Abstechern in fremde Gefilde endgültig zu seinen Wurzeln zurückgekehrt zu sein und das ist gut so, denn im Genre des „legal Thrillers“ macht ihm niemand etwas vor. Mit Vehemenz und Verve stürzt er sich dabei in eines seiner Lieblingsthemen, das dem erfahrenen Leser schon aus anderen Werken vertraut ist, den Feldzug gegen die Todesstrafe. Dabei bedient er sich eines geschickten Kunstgriffs, nämlich der Romanfigur Robbie Flak, ein kompromissloser Anwalt, der die staatlich sanktionierten Tötungen mit allen Mitteln bekämpft und seiner Wut auf ein zynisch korruptes und rassistisches System freien Lauf lässt, das gerade in Bundesstaaten wie Texas die Menschen- und Bürgerrechte der schwarzen Bevölkerung mit Füßen tritt.

Wie stets bei Grisham ist das Thema dabei in einen packenden Plot verpackt, er fesselt den Leser und setzt ihn unter Hochspannung. Selbstverständlich fehlt auch nicht die gebotene Empathie, die Schilderung der Leiden des unschuldig Verurteilten und seiner Familie rühren ans Herz. Manch einem mag das zu plakativ erscheinen, aber der exzellente Erzählstil des Autors lässt kein falsches Pathos aufkommen und der Kampf für die gerechte Sache ist es allemal wert. Der Roman ist nicht nur für Grisham-Fans ein Muss, sondern für alle Freunde der gepflegten anspruchsvollen Spannungs-Literatur unverzichtbar, klare Leseempfehlung!


Genre: Thriller
Illustrated by Random House UK

Port Mortuary

Die Pathologin Dr. Kay Scarpetta untersucht auf einem Militärstützpunkt tote Soldaten, die regelmäßig aus Irak und Afghanistan angeliefert werden, als sie wegen eines Notfalls in ihr eigenes Forensik-Institut zurückkehren muss. Dort hat nämlich ein Toter heftig zu bluten begonnen und es droht extreme schlechte Publicity, sollte sich herausstellen, dass der junge Mann lebendig tiefgekühlt wurde. Dem ist nicht so, aber dennoch bleibt die Todesursache äußerst mysteriös und Kay muss erkennen, dass während ihrer Abwesenheit der Laden außer Rand und Band geraten ist und dann melden sich zu allem Überfluss auch noch die Geister der Vergangenheit…

Im 18. Roman der Scarpetta-Reihe (ja, ich habe sie alle gelesen) findet Patricia Cornwell endgültig wieder in die Erfolgsspur der frühen Bücher zurück und serviert einen höchst spannenden Cocktail aus Thriller und Science Fiction, wobei letzteres unter Vorbehalt geschrieben sei, denn wer weiß schon, wozu die Militärs zum Beispiel in Sachen Nano-Technologie aktuell in der Lage sind? Jedenfalls ist das Buch eine Freude für Scarpetta-Fans; die Protagonisten haben die quälenden Psycho-Probleme der Vergangenheit überwunden und sind auf ihren Job voll fokussiert. Der Roman spielt in Echtzeit; ein gelungener Kunstgriff, der die Intensität gehörig steigert und auf die Spitze treibt. Bitte mehr davon und weiter so!


Genre: Thriller
Illustrated by Berkley Publishing Group

Im Schatten der Gene

Dieser Roman ist nur vordergründig ein spannender Wissenschaftsthriller. Die Autoren verstehen es, den Leser unmerklich aus seiner gewohnten Vorstellungswelt zu entführen. Am Ende des Buches fragt man sich, wo die Grenze zwischen Realität und Fiktion verläuft.

Auf einem Versuchsfeld vertrocknet gentechnisch veränderter Mais. Das Phänomen tritt zunehmend bei Nutzpflanzen auf, breitet sich global aus und nimmt immer bedrohlichere Dimensionen an.
Jeanne, eine junge Biologin, wird aufgrund eigenmächtiger Recherchen von ihrem bisherigen Arbeitgeber, einer amerikanischen Gentechnikfirma entlassen und kehrt mit heimlich kopierten, beunruhigenden Forschungsergebnissen nach Deutschland zurück. In einem staatlichen Institut arbeitet sie fieberhaft an der Aufklärung der Ursachen.
Unerwartete Hilfe erfährt sie dabei durch Paul, einen ausgebildeten Gynäkologen, der nach einem persönlichen Schicksalsschlag zurückgezogen als freischaffender Künstler lebt. Bei einem internationalen Kongress in Paris entgehen beide nur knapp einem Attentat und entdecken Zusammenhänge zwischen dem mysteriösen Pflanzensterben und einer dramatisch ansteigenden Anzahl von Fehlgeburten. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, zumal auch Jeannes eigene Gesundheit, wie die vieler anderer Menschen, durch die Ereignisse bedroht ist. Pauls unkonventionelle Denkansätze, sowie seine daraus folgenden Lösungsvorschläge überraschen die etablierten Wissenschaftler und eröffnen eine ungewohnte Sicht auf jene Mechanismen, die Voraussetzungen unseres Lebens sind.
Es gelingt ihnen schließlich, die sich abzeichnende Katastrophe zu stoppen.

Meine Einstellung zum Leben hat sich im Verlauf der packenden Handlung nachhaltig verändert.


Genre: Thriller
Illustrated by Pro Business

Erebos

An einer Londoner Schule geschehen rätselhafte Dinge. Schüler tauschen geheimnisvolle Päckchen aus, und selbst gute Freunde benehmen sich untereinander seltsam. Nick versucht heraus zu finden, was geschieht. Doch er blickt erst durch, als auch er in den Kreis der Eingeweihten aufgenommen wird und eine geheimnisvolle CD erhält. Weiterlesen


Genre: Jugendbuch, Thriller
Illustrated by Loewe Bindlach

Die Arena

Ort: Chester’s Mill, ein kleines Kaff in Maine, nahe der weltberühmten Stadt Castle Rock.
Zeit: Ein wunderbarer Oktobervormittag in der nicht so fernen Zukunft.

Der gewohnte Gang des Lebens wird jäh unterbrochen, als sich eine unsichtbare riesige Kuppel über den Ort senkt und ihn somit komplett von der Außenwelt abschneidet. An der unüberwindbaren Barriere zerschellen Flugzeuge sowie Autos und Menschen, die sich ihr nähern, kommen durch explodierende I-Pods oder Herzschrittmacher zu Schaden. Nachdem der erste Schock überwunden ist, zeigen sich sehr schnell die Machtverhältnisse in der Kleinstadt: Das Sagen und alles im Griff hat der Stadtverordnete Big Jim Rennie, ein bibelfester Gebrauchtwagenhändler, der zusammen mit korrupten Kollegen eine profitable Drogenfabrik betreibt und die Krise sofort auch als Chance begreift.

Der „Dome“ über Chester’s Mill erweckt natürlich umgehend das Interesse der Sicherheitsbehörden und Militärs, die jedoch samt und sonders mit ihren teuren Spielzeugen bei den Versuchen scheitern, das Ding zu knacken. So setzen sie ihre Hoffnungen auf einen Mann, der zufällig unter den Eingeschlossenen weilt: Dale Barbara (Barbie), ein Irak-Veteran, der sich jetzt als Aushilfskoch verdingt wird flugs reaktiviert und vom Präsidenten (eindeutig Obama, auch wenn er nicht namentlich genannt ist) persönlich mit umfangreichen Vollmachten ausgestattet, denn die Mächtigen vermuten, dass die Quelle für das Kraftfeld sich in der Stadt selbst befindet.

Während unter den Isolierten munter spekuliert wird, ob man es mit einem Werk Gottes, einem Angriff von Außerirdischen, Terroristen oder der eigenen Regierung zu tun hat, schart Big Jim – der nicht im Traum daran denkt, die Weisungen des Präsidenten zu befolgen – seine Truppen um sich. Jugendliche Straftäter werden als Hilfspolizisten angeheuert und unter dem Schutz der Uniform mutieren sie dann als moderne Hitler-Jugend folgerichtig zu sadistischen Mördern und Vergewaltigern. Mit der unnötigen Schließung von Supermärkten provoziert man gekonnt Aufruhr und Plünderung, um sodann den Notstand auszurufen und die kleine Diktatur perfekt zu machen. Aber auch Barbie hat Verbündete, und die braucht er dringend, denn es drängt die Zeit und nicht nur Nahrung und Energie gehen zur Neige, sondern es verändern sich auch die Lebensbedingungen innerhalb der Kuppel, wo Luftverschmutzung die Sterne rosa färbt und Sonnenuntergänge zu bizarren Spektakeln macht…

Stephen King ist ein Phänomen, nicht nur weil er der erfolgreichste Schriftsteller der Welt ist, nein, er versteht es auch immer wieder, seine zahllosen Anhänger mit neuen Plots zu begeistern, ohne dabei auf bewährte Standardthemen zu verzichten. Mit „Under the Dome“ (ich bevorzuge den Originaltitel statt der erneut selten dämlichen deutschen Variante; von einer Arena gibt es weit und breit keine Spur) ist ihm jetzt ein 1.100 Seiten starkes Epos gelungen, das den Vergleich mit seinen allergrößten Hits nicht zu scheuen braucht. Das Szenario Amok laufender Kleinstadtbürger erinnert an „Needful Things“ und die quasi-apokalyptische Eskalation des Kampfes Gut gegen Böse natürlich an „The Stand“ (man beachte zum Beispiel die Parallelen zwischen Phil Bushey und dem Mülleimermann).

Der Autor macht in eindringlicher und beklemmender Weise deutlich, wie schnell sich in einer abgeschotteten Gesellschaft in Extremsituationen autoritäre und faschistische Machtstrukturen entwickeln können, hier noch befeuert durch die abstruse Ideologie christlicher Fundamentalisten, die King in vielen seiner Werke an den Pranger stellt und genüsslich geißelt. Dennoch hält er auch Trost für den Leser parat; die Provinzdiktatur produziert konsequent ihre eigene Revolution.

King versteht wie kein Zweiter die Kunst, den Leser durch eine packende und stringente Handlung zu fesseln; auch bei mehr als tausend Seiten kommt nie Langeweile auf, nicht zuletzt deshalb, weil sich die Länge der einzelnen Kapitel doch recht übersichtlich darstellt (hier sei das gestattet, da man es mit einer Vielzahl von Protagonisten zu tun hat). Er ist ein Meister der Sprache, die er perfekt beherrscht und mit der er souverän spielt; immer wieder findet der Leser faszinierende Perlen in ganzen Sätzen oder einzelnen Wendungen. Durchaus innovativ ist die Grundidee des Buches mit der unsichtbaren Kuppel und auch die Umsetzung und Auflösung am Ende sind rundum gelungen. Fazit: Kein page-turner, sondern ein page-burner!


Genre: Thriller
Illustrated by Heyne München

Das verlorene Symbol

Schon im Prolog von »Symbol« baut Dan Brown enorme Spannung auf: ein mysteriöser Mann hat sich in einen geheimnisvollen Männerorden geschlichen und greift nach der Macht …

Browns neueste Story ist übersichtlich: Der schon aus seinen Bestsellern »Sakrileg« und »Illuminati« bekannte unverwüstliche Held Robert Langdon, Erfolgsautor von Büchern über Symbole und Religion, wird unter höchster Geheimhaltung von seinem Freund und Mentor Peter Solomon nach Washington gerufen, um einen Vortrag über freimaurerische Symbolistik zu halten. Vor Ort stellt er allerdings fest, einem Verbrecher aufgesessen zu sein, der ihn in seine Gewalt bringen will und offenbar auch schon Solomon gekidnappt hat. Statt eines erwartungsvoll gefüllten Auditoriums trifft er auf Solomons abgetrennte Hand mit dessen wuchtigem Freimaurerring. Diese »Mysterienhand« weist den Weg zu geheimem Wissen, das seit Jahrhunderten gehütet wird und nun offenbart werden soll. Ein Dämon der Finsternis will sich dieses Schatzes bemächtigen und schreckt vor keinem Verbrechen zurück, wobei er es besonders auf die Familie Solomon abgesehen hat (das Warum wird auf Romanseite 672 verraten) …

Spielhandlung ist Washington D. C., Hauptstadt und Regierungssitz der Vereinigten Staaten. Rund um die drei Gebäude, die das so genannte Federal Triangle in Washington bilden (Kapitol, Weißes Haus und Washingtondenkmal) findet eine atemlose Jagd zwischen Gut und Böse statt, und von Anfang an hat auch die CIA-Chefetage ihre Finger wieder ganz tief mit drin. Geheimlabore explodieren, Täter, Verräter und Attentäter hasten atemlos kilometerlange Gänge entlang, Hubschrauber knattern, und es geht dabei höchst zeitgemäß zu: der Protagonist darf sich im Waterboarding üben, Blackberrys und iPhones blinken in der Dunkelheit, E-Mails und SMS kommen zum Einsatz, und es wird sogar getwittert. Der Autor lässt keinen Trend und keine technische Neuerung aus, er steckt »ganz tief drin« und nutzt das natürlich auch für sein eigentliches Thema: Werbung für die geheimnisvolle Bruderschaft der Freimaurer zu machen.

Dan Brown bedient mit seinem neuesten Thriller wie schon in seinen früheren Büchern Gralsfanatiker, Verschwörungstheoretiker, Mystiker und Geheimbündler ebenso ausgezeichnet wie Interessenten an Astrologie, Tierkreiszeichen und Sterndeutung. Geschickt baut der Autor eine Fülle von Fakten, Halbwahrheiten und Spekulationen über Geheimnisse von Astrologie und Architektur ein, die dann zwar jeweils sachlich richtig gestellt werden, tatsächlich aber immer neue Fragen aufwerfen. Er erwähnt Gott und das Universum, vermengt geschickt Physik, Philosophie, Bibelsprüche, Bildmetaphern aus Dürer-Gemälden und ein gutes Pfund Zahlensymbolistik. Seine Themen sind das kosmische Bewusstsein sowie das Verschmelzen menschlichen Denkens, das in Wechselwirkung mit Materie tritt und die Frage, ob der konzentrierte menschliche Geist die stoffliche Welt verändern kann.

Brown serviert neben der abgetrennten Hand einen Todesschrein in einem Keller sowie bizarre Gravuren auf einer Sagen umwobenen Steinpyramide in Schnitttechnik: er schaltet die Handlungsstränge parallel, schneidet sie in kleine Häppchen, die stets mit einem Cliffhager ausgestattet sind und serviert sie wie Kaiten Sushi auf einem endlos scheinenden Laufband. Die insgesamt 133 auf 765 Seiten geschickt miteinander verwobenen Kapitelfetzen lesen sich flüssig und schnell, seine Ortsbeschreibungen zeugen von hoher Sachkenntnis und genauer Recherche. Der Autor versteht es, auch die absurdesten Situationen und Geschehnisse dramatisch aufzubreiten und plausibel klingen zu lassen. Dabei erzeugt er Hochspannung ohne sprachlichen oder gar literarischen Anspruch. (Stephen King nennt seine Erzeugnisse kritisch »Fast Food«, und damit ist einfach alles gesagt.)

Bereits im Vorfeld der Buchveröffentlichung, die es im Handumdrehen zum Bestseller des Jahres bringen und garantiert in eine paar Jahren mit Tom Hanks in der Titelrolle verfilmt wird, wurden Journalisten von Freimaurern mit Pressetexten bombardiert. Die Angst der international verzweigten geheimnisvollen Bruderschaft, als eine obskure Organisation mächtiger Männer mit mörderischen Motiven dazustehen, ist deutlich. Gleichzeitig nutzen die »Brüder« das Buch, um sich als einen Bund ehrenwerter Philantropen darzustellen, die nie auf die Idee kommen würden, ihre Macht zu missbrauchen. Dass diese in der Geschichte der Freimaurerei, erwähnt sei hier nur die italienische Mafia-Loge P2, oft egoistisch und politisch einseitig eingesetzt wurde, bleibt bei Brown unerwähnt.

»Mr. Secret«, wie ihn der STERN nennt, kokettiert lieber mit Geheimnissen, und entsprechend geheimnisvoll behandelte der Verlag auch sein Buch, das am gestrigen Eröffnungstag der Frankfurter Buchmesse In einer Art Showdown in einer Mitarbeiterkette von Hand zu Hand an den Stand gereicht wurde … Immerhin gilt es, die für den deutschsprachigen Markt schier unglaubliche Startauflage von 1,2 Millionen Exemplare möglichst schnell zu verkaufen. Der Erfolg scheint vorprogrammiert, weltweit wurden bislang 120 Millionen Dan-Browns verkauft, und es gibt keinen Zweifel, dass sein Erfolgsrezept auch bei Buch No. 5 funktioniert, zumal gemäß seiner Roman-Wahrheit die gesamte Welt von den freimaurerischen Geheimnissen bedroht ist …

Diskussion dieser Rezension im Blog der Literaturzeitschrift


Genre: Thriller
Illustrated by Bastei Lübbe Bergisch Gladbach

Das Einstein-Projekt

Als Professor Marini auf unerklärliche Weise ums Leben kommt, gerät Mathematikdozentin Elisa Robledo, eine Mischung aus Albert Einstein und Marilyn Monroe, in Panik. Elisa, die eine Aura umgibt, die ihre Umwelt »Elisa-Mysterium« nennt, kannte Marini gut. Beide eint ein Geheimnis, das zehn Jahre zurück liegt.

Seinerzeit musste sie mit einem Team von Spitzenwissenschaftlern verschiedener Disziplinen ein Projekt der höchsten Geheimhaltungsstufe beenden, und nun regt sich ein düsterer Schatten der Vergangenheit. Wie Marini wird ein Teilnehmer des Geheimprojekts nach dem anderen auf grauenhafte Art und Weise ausgelöscht. Elisa ergreift die Flucht und bittet als einzigen Vertrauten ihren Kollegen und Freund Viktor um Hilfe. Die überlebenden Wissenschaftler spüren, dass die Vergangenheit auch sie einzuholen versucht. In panischer Angst versuchen sie, ihre seinerzeit jäh unterbrochenen Experimente wieder aufzunehmen und zum Abschluss zu bringen, um eine Erklärung für die rätselhaften Morde zu finden. Dazu kehren sie zum Ausgangsort ihrer Forschung auf einem militärisch abgesicherten Atoll im Indischen Ozean zurück, um einen Wettlauf mit der Zeit zu beginnen.

Der Thriller des auf Kuba geborenen und heute in Spanien lebenden Autors basiert auf dem physikalischen Phänomen der Zeit. Somoza hat einen Wissenschaftskrimi geschrieben, er setzt sich mit der für Laien kaum fassbaren String-Theorie auseinander und macht sie zur Basis seines Romans. Danach gibt es weit mehr Dimensionen als die vier, die uns bislang bekannt sind.

Bei der String-Theorie geht es um eine Verbindung zwischen der Relativitäts- und der Quantentheorie. Einsteins Relativitätstheorie trifft auf fast alle Situationen zu außer auf die Welt der Atome. Für diese greift die Quantentheorie, und beide gelten als die vollkommensten geistigen Schöpfungen, die der Mensch bisher hervorgebracht hat. Mit diesen beiden Theorien lässt sich nämlich fast die gesamte Wirklichkeit erklären. Das Problem ist nur, dass wir dafür beide benötigen, denn was auf der einen Ebene gilt, stimmt nämlich nicht auf der Ebene der anderen und umgekehrt.

Strings, auch Superstrings genannt, stehen für eine hoch komplexe mathematische Theorie. Danach sind die Elementarteilchen, aus denen das Universum besteht, also Elektronen, Protonen und die kleineren Teilchen, aus denen sie wiederum zusammen gesetzt sind, keine Kügelchen, wie bisher angenommen, sondern lange Schnüre, eben Strings. Könnten diese Schnüre geöffnet werden, dann werden dahinter weitaus mehr Dimensionen sichtbar. Da ebenso wie die materielle Welt auch die Zeit aus Strings besteht, ist die Forschung bemüht, mit Hilfe von Teilchenbeschleunigern die Strings zu öffnen.

An diesem Punkt setzt die Story an, denn die Wissenschaftler versuchen, Aufzeichnungen von Zeitstrings zu öffnen und damit eine Zeitreise in die Vergangenheit zu unternehmen. Sie sind fasziniert von den Möglichkeiten eines quasi fotografischen historischen Rückblicks, und militärische Kreise wiederum sind begierig, das Phänomen für eigene Machenschaften zu nutzen. Bei den Experimenten mit der Zeitmaschine kommt es trotz aller Sicherheitsmassnahmen zu einer Verkettung von unbezähmbarem Ehrgeiz einiger Forscher und den Unwägbarkeiten physikalischer Prozesse. So entspringt das Grauen einem der Zeitstrings und wird auf ungeheuerliche Weise real.

Somozas Krimi ist wie alle seine Werke bizarr und eigenwillig. Es gelingt dem Autor, die Spannung feingliedrig aufzubauen und diese bis zum Schluss des 560 Seiten starken Buches durchzuhalten. Nach seinem hoch dekorierten Krimi »Clara«, einem Werk um »hyperdramatische Kunst«, bei der Menschen als Leinwände benutzt, gestaltet, ausgestellt und verkauft werden, »Das Rätsel des Philosophen«, »Die Elfenbeinschatulle« sowie »Die dreizehnte Dame«, einem surreal, stockfinster und dabei extrem blutrünstigen Werk um »mentale Fürze« handelt es sich beim »Einstein-Projekt« um das fünfte in deutscher Sprache erscheinende Buch des Spaniers. Es ist zwar nicht sein stärkstes, doch wer spanische Autoren mag und sich gern auf Reisen ins Ungewisse einlässt, der wird von Somoza auch mit diesem Opus raffiniert und zuverlässig bedient.


Genre: Thriller
Illustrated by Ullstein Berlin

Die Menschenleserin

Der wegen Mordes verurteilte Sektenführer Daniel Pell ist ein Manipulator ersten Ranges und auch in Gefangenschaft noch höchst gefährlich. Er hatte vor seiner Festnahme eine Gruppe von jungen AnhängerInnen um sich geschart und seine Taten (das Auslöschen einer fast kompletten Familie) erinnern fatal an die Morde von Charles Manson. Nun soll Pell im Zusammenhang mit einer weiteren Straftat von der Bundesagentin und Expertin für Verhörtechniken Kathryn Dance vernommen werden; ein Umstand, den der Bösewicht zu einer blutigen Flucht nützt. Schnell wird klar, dass der Ausbruch nur mit Unterstützung von außen gelingen konnte und so installiert man ein Team unter der Leitung der „Menschenleserin“, um den Entflohenen gleich wieder dingfest zu machen. Kathryn gräbt sich tief in Pells Vergangenheit ein, hofft sie doch, mit Hilfe der ehemaligen Sektenmitglieder Zugang zur Denkweise des Soziopathen zu erlangen. Der Plan ist zunächst erfolgreich, man kommt ihm rasch auf die Spur, aber der erfolgreiche Zugriff mag dennoch nicht gelingen. Etwas ist immer anders als es zu sein scheint und das gilt nicht nur für die Gegenwart…

Mit „Die Menschenleserin“ legt der Autor den ersten Roman mit Kathryn Dance in der Hauptrolle (sie hatte bereits einen Gastauftritt in „Der gehetzte Uhrmacher“) vor und es ist ein exzellentes Debüt. Die Protagonistin fasziniert mit ihrer außergewöhnlichen Fähigkeit als menschlicher Lügendetektor, sie erkennt an Haltung, Körpersprache und Stimme, wann jemand die Unwahrheit sagt.Allerdins ist das keine übernatürliche Wahrnehmung, sondern durchaus wissenschaftlich fundiert; der Fachausdruck dafür lautet Kinesik.

Das Buch ist mitreißend und spannend, intelligent geschrieben und – wie stets bei diesem Autor – voller unerwarteter Wendungen, die den Leser zwar staunend, aber nicht ratlos zurücklassen. Die Figuren sind komplex gezeichnet und damit ist der Grundstein gelegt für ihre künftige Entwicklung in weiteren Werken dieser Reihe, ähnlich wie bei den Lincoln-Rhyme-Romanen. Freunde ansprechender Kriminalliteratur dürfen sich also freuen, denn in einem Brief an die Leser hat Deaver versprochen, nach einem neuen Abenteuer mit dem gelähmten Forensikexperten ein zweites Buch mit Kathryn Dance folgen zu lassen. Bis dahin wäre es allerdings erst einmal angebracht, dass sich ein Verlag dazu entschließt, endlich „Garden of Beasts“ auch auf Deutsch zu veröffentlichen, ein packender Thriller, der in Berlin während der Nazi-Diktatur spielt.

Interessierten Lesern sei auch die offizielle Website des Schriftstellers empfohlen: http://www.jefferydeaver.com

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Genre: Thriller
Illustrated by Blanvalet

Harte Männer tanzen nicht

Der Schriftsteller Tim Madden ist allein. Vor 24 Tagen hat ihn seine Frau Patty Lareine verlassen und nun ertränkt er seine Depressionen in Bourbon, was ihm in dem kleinen neuenglischen Kaff Provincetown nicht schwer fällt. Die Arbeit an dem geplanten Buch „In unserer Wildnis — Studien unter geistig Gesunden“ geht nicht so recht voran und so trifft es sich gut, dass er an diesem Abend in der Bar, in der er Stammgast ist, ein Pärchen kennen lernt, die Blondine Jessica und ihren Begleiter Lonnie.

Danach setzt Maddens Erinnerung aus, denn der Alkohol fließt in Strömen. Als er am nächsten Morgen erwacht, hat er eine neue Tätowierung am Arm, seine Kleidung und sein Wagen sind voller Blut und in seiner Erinnerung tauchen bruchstückhaft Bilder auf, Flashbacks, denen er aber nicht trauen kann, da er nicht sicher ist ob sie real oder seiner Phatasie entsprungen sind. Nach einem (unfreiwilligen) Gespräch mit dem Polizeichef will er sein Marihuana-Versteck überprüfen und findet dort einen abgetrennten Frauenkopf…

Norman Mailer ist einer der großen amerikanischen Schriftsteller, er schert sich einen Dreck um das, was man heute „political correctness“ nennt; seine Sprache ist ungeheuer kraftvoll, bisweilen derb und damit erschafft er prächtige Bilder und Figuren. All diese Fähigkeiten beweist er auch in „Harte Männer tanzen nicht“, eine Geschichte einer außergewöhnlichen Vater-Sohn-Beziehung und zugleich eine schonungslose Darstellung des verlogenen amerikanischen Kleinstadtmilieus, unter dessen Oberfläche Drogen, Hass, Sex und Gewalt lauern. Abgesehen davon liefert der Autor auch noch einen veritablen Thriller um brutale Morde und verschwundene Leichen. „Harte Männer tanzen nicht“ wurde auch durchaus gelungen verfilmt, die Regie führte Mailer selbst.

Zum Abschluss möchte ich euch nicht vorenthalten, woher der Titel des Romans stammt, es ist eine Episode, die Maddens Vater seinem Sohn erzählt: Der Mafia-Boss Frank Costello saß einmal mit seiner Freundin Gloria und einigen seiner Jungs in einem Nachtclub. Die Band spielt und Frank fordert seine Begleiter nacheinander auf, mit Gloria zu tanzen. Zuerst zieren sie sich, es ist schließlich die Freundin vom Chef, aber dann verlieren sie die Scheu und finden auch Gefallen daran. Einer von ihnen ist besonders mutig und fragt den Boss auf Glorias Bitte hin, ob er nicht auch eine flotte Sohle aufs Parkett legen wolle. Costello sieht ihn nur an, schüttelt langsam den Kopf und antwortet: „Harte Männer tanzen nicht.“

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Genre: Thriller
Illustrated by Ullstein Berlin

Ausgebrannt

Blutrote Fässer zieren den Titel von Andreas Eschbachs Roman „Ausgebrannt“. Wer die 750 Seiten des Wirtschafts-Thrillers gelesen hat, der weiß: sie sind leer. Eschbachs Thema ist der viel diskutierte »Peak-Oil«, jener Punkt, an dem die Ölreserven erschöpfen und die Nachfrage nach Öl größer ist als das mögliche Angebot. Von diesem Punkt an verliert die Wirtschaft ihre Antriebskraft, und die Welt beginnt sich zu ändern. Die Handlung des Romans geht dabei von der Prämisse aus, dass dieser Punkt sehr viel näher liegt als gemeinhin angenommen. Weiterlesen


Genre: Romane, Thriller
Illustrated by Bastei Lübbe Bergisch Gladbach

Der Afghane

Bei einem Selbstmordattentat werden in London zahlreiche Menschen von Rucksackbomben getötet. Schon nach kurzer Zeit können die Mörder identifiziert und ihr Wohnsitz ermittelt werden. Bei der Durchsuchung der Wohnung stoßen die Ermittler auf Quittungen, die belegen, dass einer der Bewohner mehrere Billig-Handys gekauft hat. Diese Telefone werden allerdings nicht in der Wohnung gefunden, aber die Polizei kann die Nummern herausfinden und setzt diese auf eine Watchlist für den Fall, dass sie aktiviert werden sollten.

Monate später läutet eines dieser Telefone in Pakistan und ein Sergeant der pakistanischen Abhörabteilung hört das Gespräch mit. Der Anruf kann mit Peilgeräten geortet werden, und nach kurzer Zeit setzen sich pakistanische und britische Spezialisten in Bewegung, um eine Wohnung zu stürmen. In der Wohnung befinden sich fünf Menschen, von denen einer erschossen wird und drei verhaftet werden können. Die fünfte Person, der Anführer, wie sich später herausstellt, versucht zu entkommen, springt aus einem geöffneten Fenster, stürzt auf das Straßenpflaster und stirbt.

Bei der Auswertung aller Spuren wird ein Laptop gefunden und auf dem gibt es Notizen und Spuren zu Al Isra, der Plan zu einem Anschlag der al Qaida. Bei allen amerikanischen und britischen Geheimdiensten schrillen die Alarmglocken, doch niemand scheint von diesem Plan zu wissen oder gehört zu haben. Als letzte Möglichkeit bleibt nur die Chance, einen Agenten in das Terrornetzwerk einzuschleusen.

Mike Martin, ehemaliger Offizier und Spezialist, wird für diese gefährliche Mission ausgesucht. Kann er den Wettlauf mit der Zeit gewinnen und den Anschlag verhindern ?

Frederick Forsyth, ein meisterlicher Verfasser von spannenden Politthrillern, beschreibt kenntnisreich das Vorgehen der Geheimdienste, die Interessen der Großmächte sowie die Welt des Terrors.


Genre: Thriller
Illustrated by C. Bertelsmann München