Die Känguru-Chroniken

Marc-Uwe Klings »Känguru-Chroniken« waren ursprünglich Beiträge für den Podcast eines Berliner Radiosenders. Zusammengefasst lesen sich die Texte wie ein urkomischer Episodenroman voller geistreicher Gedanken, Bonmots sowie satirischer Gegenwartskritik. Die Texte leben von einem spielerisch leichten Umgang mit Worten und Bezügen und bescheren viel Spaß beim Lesen.

Marc-Uwe Kling, in eigenen Worten ein braunhaariger, mittelgroßer, feingliedriger junger Kleinkünstler, der aber nicht Kleinkünstler genannt werden möchte, bekommt eines Tages Besuch von seinem neuen Nachbarn, einem Känguru. Dies geht keiner geregelten Arbeit nach und erklärt auf Befragen kurz »Ich bin Kommunist! Was dagegen?«

Das Beuteltier zieht ohne großes Federlesen bei dem jungen Mann ein und benutzt ihn als persönlichen Assistenten, der es nährt. Wenn Marc sich beschwert, er müsse immer zahlen, weil sein Mitbewohner nie Geld mitnimmt, lächelt das Känguru nur.

So entsteht eine Wohngemeinschaft, in der es bald philosophisch tiefgründig einhergeht. Dabei wird neben Problemen, ob die Essenz des Hegelschen Gesamtwerkes in eine SMS gepackt oder das Liegen in einer Hängematte schon passiver Widerstand genannt werden kann, stets die Frage aller Fragen leidenschaftlich diskutiert, welcher Schauspieler besser sei – Bud Spencer oder Terence Hill.

Selbstverständlich arbeitet das Känguru auch an einem eigenen Manuskript unter dem Titel »Opportunismus und Repression«, aus dem es gern zitiert. Vielversprechend klingt schon der erste Satz: »Die Philosophen haben das Geld nur verschiedenen interpretiert; es kommt aber darauf an, es zu verplempern.«

Leider hat das Beuteltier noch keinen Verlag gefunden, der »den Ansprüchen des Manuskriptes genügt«. Das liegt nach seiner Auffassung allein daran, dass die Hälfte der Verlage sehr unangenehmen internationalen Großkonzernen gehört. »Und das ist der bessere Teil. Der Rest gehört Springer«.

Das nach Schnapspralinen, Schnitzelbrötchen und Eierkuchen mit Hackfleisch gierende Känguru bestimmt bald das Leben des Chronisten und macht ihm sein Leben nicht immer leicht.

Zu Auseinandersetzungen kommt es aber erst, als ein Pinguin in die ehemalige Wohnung des Kängurus zieht. Denn dieser Herr verkörpert das genaue Gegenteil zum anarchistischen Känguru: Er geht einer geregelten Arbeit als Vertreter für Tiefkühlkost nach, hört andere Musik und zieht Teewurst Schnapspralinen vor. Für das Känguru verkörpert er die kapitalistische Weltordnung, ist also in der Erzählung eine Art Antagonist.

Marc-Uwe Kling singt Lieder und erzählt Geschichten. Sein Geschäftsmodell ist es, kapitalismuskritische Bücher zu schreiben, die sich total gut verkaufen. Seine Känguru-Geschichten wurden 2010 mit dem Deutschen Radiopreis und 2013 mit dem Deutschen Hörbuchpreis ausgezeichnet. Foto: Ullstein/Sven Hagolani

Ein schöner Kunstgriff ist, den Lektor des Werkes zu Wort kommen zu lassen. Er will Kling überreden, mehr Liebesgeschichten und Fantasy zu schreiben. Außerdem bevorzugt er das Känguru, weil beide gern »World of Warcraft« spielen. Er bringt das Beuteltier auf die Idee, dass der Pinguin wohl einen »kapitalistischen Weltverschlechterungsplan« durchführen will.

Beim Aufbau eines »Asozialen Netzwerkes« stoßen Kling und sein Känguru auf neue absonderliche Gestalten, die verschiedene gesellschaftliche Gruppierungen und politische Richtungen repräsentieren. Dabei kommt die Gesellschaftskritik immer ein wenig oberflächlich daher und tut niemandem weh. Im Vordergrund stehen Nonsens und Absurditäten.

Wer die britische Komikertruppe Monty Python mag und über die beiden Comic-Helden Calvin und Hobbes schmunzeln kann, der wird mit den »Känguru-Chroniken« bestens bedient. Denn die Känguru-Chroniken bieten Lesevergnügen pur.

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Genre: Humor und Satire
Illustrated by Ullstein Berlin

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